Rudolf Beer an Hugo Schuchardt (05-00902)
von Rudolf Beer
an Hugo Schuchardt
31. 08. 1898
Deutsch
Schlagwörter: Kaiserliche und Königliche Hof-Bibliothek (Wien) Sprachen in Europa Iberisch Baskisch Indoeuropäische Sprachen Romanische Sprachen Schuchardt, Hugo (1899) Beer, Rudolf (1894) Escalona, Romualdo/Perez, José (1782) Simonet, Francisco Javier (1889) Férotin, Marius (1897) Sbarbi y Osuna, José María (1872) Gutierrez de la Vega, José (1877–1899)
Zitiervorschlag: Rudolf Beer an Hugo Schuchardt (05-00902). Wien, 31. 08. 1898. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7254, abgerufen am 13. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7254.
[Correspondenz-Karte, WIEN 31.8.98]
Wien, 31. Aug. 1898
Hochverehrter Herr Professor,
erst vorgestern hierher zurückgekehrt fand ich Ihre liebensw. Ansichtskarte vor, die ich am liebsten sofort in meritorischer Hinsicht beantwortet hätte – leider herrscht auf d. Bibl. das reine Chaos, wir bauen und renovieren gleich in drei Stockwerken, alle Diener sind in Anspruch genommen und ein guter Theil der Bibliothek, die in diesem Jahr kaum mehr dem Publikum geöffnet werden dürfte, verbarrikadiert. So komme ich heute nur mit einigem wenigen. Baica1 ist verwünscht gut verankert. Die Urkunde, Sahagun, a.qzz ist mehrfach publiciert (vgl. meine Handschriftenschätze s. v., S. 419)2 nie angezweifelt u. wenn der erste Herausgeber, J. Perez,3 balca liest, so ist das sicher das westgot. i mit l verwechselt worden. In der letzten, wohl zuverlässigen Edition (Indice de los doc. del Mon. de Sah. p. 281)4 steht klar baica; obwohl Simonet die Quelle nicht nennt,5 hat er (s. v. vaica) das Wort sicher von dort geholt. Dem steht allerdings ein gewichtiges Moment gegenüber. In Ferotíns Recueil des chartes de Silos,6 dem einzigen wirklich zuverlässig edierten Cartular ein. span. Klosters findet sich vaica, baica nicht, dafür zweimal vega, u. zw. in alten Urkunden (1076, 1085). Baica, wenn überhaupt echt, ist also wohl singuläre. Sollten mir Herr Prof. näheres über Ihre Untersuchung, d. h. über den eig. Zweck der linguistischen Aporie mittheilen, kann ich vielleicht mit meinen hiesigen Mitteln noch etwas tiefer graben. Bei den anderen Desiderien werden mich Sbarbi’s hübsches Sprüchwörter-Dictionar7 und Gutierrez de la Vega’s Biblioteca Venatoria8 unterstützen. Unter den eben geschilderten Verhältnissen bin ich doppelt froh, daß Sie mir zur Beantwortung Zeit lassen. Cornu ladet mich soeben zum Besuch nach L.9 ein. Ich folge der Einl. gerne, schon lange wollte ich den Mann kennen lernen, der mir brieflich viel Anregung gegeben.
Verehrungsvollst u. stets dienstbereit ergeben
R. Beer
1 Es geht um Schuchardts Arbeit „Zum Iberischen, Romano-baskischen, Ibero-romanischen“,ZrP 23, 1899, 174-200, bes. 186f. (vega). Dort heißt es z.B. auf S. 187: „Das baica der Sahaguner Urkunde von 922 hat meines Erachtens so wenig mit vega zu thun wie das altspan. velga (=huelga, das, wie mir R. Beer mitteilt, in einer Siloser Urkunde von 1085 mit vella und vega abwechselt) [...].“
2 Beer, Handschriftenschätze Spaniens. Bericht über eine im Auftrage der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1886-1888 durchgeführte Forschungsreise; bibliographische Übersicht der Handschriftenbestände 616 spanischer Bibliotheken und Archive, einen Überblick über das Schrifttum des mittelalterlichen Spaniens gebend; mit einer allgemeinen Einleitung, Anmerkungen und Nachweisen und mit analytischen Indices von Namen, Titeln und Bibliotheken, Wien; Tempsky in Komm., 1894.
3 José Perez / Romualdo Escalona, Historia del Real Monasterio de Sahagun, Madrid: Ibarra, 1782, 383 f. (Apend. III, Escr. 11).
4 Indice de los documentos del Monasterio de Sahagun, de la Orden de San Benito y glosario y diccionario geográfico de voces sacadas de los mismos / publicados por el Archivo Histórico Nacional, Madrid: Archivo Histórico Nacional, 1874 (Imp. Aribau y Cía., Sucesores de Rivadeneyra). – Die digitalsierte Ausg. weist BAICA auf S. 593 nach als „nombre arábigo, y que significa tierra de labor, puesta en llano“.
5 Francisco Javier Simonet, Glosario de voces ibéricas y latinas, usadas entre los Mozarabes, precedido de un estudio sobre el dialecto Hispano-Mozarabe, Madrid: Fortanet, 1889.
6 Marius Férotin, Recueil des chartes de l'Abbaye de Silos, Paris: Leroux, 1897.
7 José María Sbarbi y Osuna, El libro de los refrances: colección alfabética de refranes castellanos, explicados con mayor consición y claridad, Madrid: Librería de León Pablo Villaverde, 1872.
8 José Gutierrez de la Vega, Biblioteca venatoria; colección de obras clásicas españolas de montería, de cetrería y de caza menor, 5 Bde., Madrid 1877-1899.
9 Jules Cornu (1849-1919), schweizer.-österr. Romanist, zu diesem Zeitpunkt Prof. in Prag mit Wohnsitz in Leitmeritz.
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