Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (084-01121)
an Hugo Schuchardt
11. 11. 1884
Deutsch
Schlagwörter: Petermanns Geographische Mitteilungen Networking Photographieversand Sprachkontaktphänomene Sprachprobe Universität Czernowitz Geographie Universität Prag Tschechisch
Deutsch Müller, Friedrich Supan, Alexander Grün, Dionys von Hruza, Ernst Pardo de Tavera, Trinidad Hermenegildo Fernández Rodríguez, Mauro (2010)
Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (084-01121). Leitmeritz, 11. 11. 1884. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.715, abgerufen am 28. 11. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.715.
Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.
Leitmeritz, 11. November 1884
Verehrter Freund!
Ich danke vielmals für Ihre lieben Zeilen, doch kann ich Ihre Fragen nicht beantworten, da ich nichts anderes Ihnen sagen kann, als dass Friedrich Müller mir von Wien schrieb, ich möchte mich um Czernowitz, von wo Supan1 zur Leitung von Petermanns geogr. Mitthgn.2 nach Gotha abgieng, zu bewerben, zugleich meinte er, ich hätte wohl Aussicht, da Prof. Grün3 in Prag in Pension gienge, so dass also zwei Stellen frei würden. Ich schrieb ihm sofort, er möchte mir näheres andeuten, doch erhielt ich bis heute keine Antwort, doch hoffe ich selbe bald zu Gesicht zu bekommen. Dessgleichen trifft wohl schon morgen oder übermorgen eine Antwort von dem Prof. Dr. E. Hruza4 in Czernowitz (Jurist), den ich bat, er möchte mich über den Status dieser Angelegenheit aufklären. Er dürfte dies sicher thun, denn als er Kneipschwanz5 (er hinkt) u. ich Senior des + Prager Corps Moldavia waren, da unterrichtete ich ihn im Spanischen und dass er meiner nicht vergass, beweist, dass er bei seiner Vermählung sich nicht mit einer einfachen Anzeige begnügte, sondern einen herzlichen Brief mir schrieb.
|2|Er wird mir also gewiß schreiben, wie die Sachen stehen, ob er aber wird etwas für mich thun können, weiß ich nicht, denn er ist wohl kaum ein Jahr erst dorten. So stehts also jetzt und ich habe Ihnen nur für Ihre gütige Hilfe zu danken. Veremos.
Pardo de Tavera schickte mir die Photographien seiner Mutter und Geschwister, er mag noch so oft von seiner rein spanischen Abkunft sprechen, ich glaube seine Mutter sei dennoch eine Mestiza, wenngleich eine zweiten Grades, bei seiner Schwester Paz und dem Bruder Felix offenbaren Stellung der Augen, Nasenflügel und Kinn tagalisch-chinesisches Blut.6
Für heute habe ich nichts weiter zu sagen, so schließe ich mit herzlichen Grüßen, diesmal ohne böhmische Dalken. Oder doch: ich hörte oft von čechischen Plebejern ausrufen: Ježižmankote!
en el sentido de: Jesus Maria Josef (was machst denn!!) oder: Ei, ei (was Sie mir nicht sagen), dieser Ausdruck scheint zum Theil (Ježiž ist cechisch: Jesus) dem Deutschen entlehnt zu sein.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr ganz ergebener
F. Blumentritt
1 Alexander Supan (1847-1920), österreichischer Geograph, u.a. in Graz, 1877-1884 Privatdozent in Czernowitz. Übernahm 1884 die Herausgabe von Petermanns Geographischen Mitteilungen.
2 Petermanns Geographischen Mitteilungen (PGM), älteste deutschsprachige Fachzeitschrift für Geographie.
3 Dionys Ritter von Grün (1819-1896), böhmischer Geograph, Geographielehrer des Kronprinzen Rudolfs, 1875-1885 Professor für Geographie in Prag.
4 Ernst Hruza (1856 oder 1857-1909), Jurist in Czernowitz, später in Innsbruck.
5 Auch „Conkneipant“, außerordentliches Mitglied in einem Corps, das nicht die Voraussetzungen für ein Vollmitglied erfüllt.
6 Tatsächlich war Pardo de Taveras Mutter eine spanisch-tagalische Mestizin, hatte also keine chinesischen Vorfahren. Pardo de Tavera war somit zu drei Viertel spanischer und einem Viertel philippinischer Abstammung. (S. Fernández 2010, dieser Band FN 14).