Wendelin Förster an Hugo Schuchardt (12-03103)

von Wendelin Förster

an Hugo Schuchardt

Bonn

16. 06. 1907

language Deutsch

Zitiervorschlag: Wendelin Förster an Hugo Schuchardt (12-03103). Bonn, 16. 06. 1907. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7111, abgerufen am 19. 07. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7111.


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[Postkarte, Bonn, 16.6.07]

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L. H. K.

16.6.

Ich meine, Sie haben e. sehr wichtige, aber ebenso schwierige Frage mit Ihrer Bemerkung über it. Aspirirung der Velare angeschnitten. Freilich, warum e. ganz reine Tenuis nicht möglich s. soll, seh ich nicht ein; sie wird, wie ich an [??] Instr.1 geprüft, nicht immer rein einsetzen u. ausklingen, aber während ihrer Artikulation, gar bei langer Konsonanz, ist sie sicher rein.

Am meisten überrascht mich Ihre Bemerkung über die tschech. Aussprache. – Die may. kenne ich nicht. Aber ein tschech. ke, ki ist sicher unaspirirt und sicher stimmlos; ich habe ja so lange unter Tschechen leben müssen u. in der Schule selbst Tschech. spr. müssen – ich verdanks dem dortigen Gymnasium. Sp[rechen] sollte der Tscheche (Schüler u. Lehrer) m. „wiener“ Ausspr. bei fremden Sprachen. - In meiner Mundart – riesengeb. fränkisch=schlesisch ist stark aspir., aber scharfe Scheidung v. stimmhaft in stimmlos! - Das tschech. ke, ki ist aber nicht anders als das franz. u. ital., dafür ist das fr. jedoch viel reiner und ohne jede Spur der Aspirazion: Das sieht man, da dort mundartlich ki schon an vielen Orten bei t˅i angelangt ist.

Das gǐndele2 der Wiener Witzblätter kann ich so isolirt nicht beurteilen; ich müsste wissen, ob nicht noch andere Tenues so als Media verzeichnet werden. Ich halte die Notiz f. ganz falsch u. erklärlich aus dem akust. Effect, den die reinen Tenues dem nur an Aspiraten gewöhnten Ohr verursachen.

Daß man so die Franz. u. Ital. nachmacht, erklärt sich, weil diese Witzspr. nie einen Franzmann o. Welschen gehört haben.

Herzl. Grüße
WF.

(feriensehnsüchtig)


1 Verfassername (Koreff ?) nicht identifiziert; kein bibliographischer Nachweis.

2 Vgl. dazu bereits Schuchardt, Dem Herrn Franz von Miklosich zum 20. November 1883. Slawo-deutsches und Slawo-italienisches. Graz: Leuschner & Lubensky, 1884: „Die Tschechen verspotten in ihren Witzblättern den Deutschen wegen seines Khámen, kholo u.s.w.; und im Ernst schrieb vor einiger Zeit ein tschechischer Schuldiener: Šüler B. ghomte nich (wo das g im deutschen Sinne verwendet worden ist.) […] Umgekehrt findet der Deutsche in dem k der Slawen sein g wieder; in der Niederschrift des tschecho-deutschen Jargons wird daher gern Gindele (Kinderl) und dergleichen angebracht usw.“ (S. 41).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03103)