Julius Cornu an Hugo Schuchardt (022-01731)

von Julius Cornu

an Hugo Schuchardt

Prag

10. 01. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Phonetik Zeitschrift für romanische Philologielanguage Portugiesisch Gröber, Gustav Diez, Friedrich Marty, Anton

Zitiervorschlag: Julius Cornu an Hugo Schuchardt (022-01731). Prag, 10. 01. 1883. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann und Katrin Purgay (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.7064, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.7064.


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Prag, den 10. Januar 1883.

Werther Freund,

Heute trete ich mit einer Bitte an Sie heran. Im letzten Hefte der Z. für rom. Philologie finde ich S. 484 folgendes über meinen kleinen Artikel in der Romania „I espagnol = I portugais“: Belege für den deutschen Klang des Span. j aus Reimen bei Gil Vicente und Camoens.1 Hätte ich einen solchen Unsinn vorgetragen, so müsste Gröber seinen Diez so gut kennen ohne von den vielen andern Zeugnissen über die Aussprache des j im XVIten Jahrhundert zu sprechen, dass er mich sofort widerlegt hätte. Denn man weiss ja, dass in der damaligen Zeit die Jota entweder dem franz. j gleich war oder sich wenig davon |2| unterschied. Ich hätte also die beste Gelegenheit Gröber seine Artigkeiten zurückzugeben. Er hat aber die Zeitschrift in der Hand und würde in irgend einer Weise, wie er es jedesmal thut, mich so schlecht machen wie möglich. Wie kann ich auch von ihm, der absichtlich oder unabsichtlich mir eine Betonung igítur zumuthet, Gerechtigkeit erwarten?2 Nach seiner Beurtheilung meiner Untersuchungen würde ich es als das Passende für ihn erachten, wenn er mich ein für allemal für einen Esel erklärte und hinzufügte, dass es verlorene Zeit sei meine Sachen zu lesen.

Meine Bitte ist die folgende: Da Sie mit der Zeitschrift auf gutem Fusse stehen, seien Sie so gut im nächsten Hefte der |3| selben den oben angegebenen Unsinn zu korrigieren. Sie können es in der höflichsten Weise thun, den deutschen Klang als ein Versehen für den französischen Klang, oder gar als einen Druckfehler erklären.3

Die Trompete der Grobheiten mit den sogenannten Grössen der Romanistik mag ich nicht blasen. Denselben empfehle ich bestens den guten Ton in der Gesellschaft,4 woraus sie sehr viel zu lernen hätten.

Indem ich hoffe, dass Sie, als Unbetheiligter, mir den angegebenen Wunsch gern erfüllen werden, schicke ich Ihnen meine herzlichen Grüsse so wie diejenigen meines Collegen Marti,5 der mich durch Nachrichten von Ihnen sehr erfreute.


J Cornu


1 Es handelt sich nur um diesen einen Satz in ZrP 6, 1882, 484.

2 Ebd. S. 479 zu Cornu, Gierres gierre, gieres giere, giers girs = igitur. „Das dem Sinne nach vortreffliche Etymon, an das schon Diez gedacht hatte a dû passer par les étapes suivantes: *igetur *igiedro *iedre *ierre etc. – also betont Herr C. igítur!“ (Bemerkung zu Cornu, „gierres = igitur“, Romania 10, 1881, 399).

3 Eine solche Intervention Schuchardts ist nicht nachweisbar, vermutlich aber auch nicht, weil Cornu überempfindlich reagiert – Gröber hatte tatsächlich eine gute Meinung von ihm, sonst hätte er ihm später nicht die Darstellung des Portugiesischen für den Grundriss übertragen.

4 Johann Edler von K...ski, Der gute Ton, oder Anleitung, um sich in den verschiedensten Verhältnissen des Lebens und der Gesellschaft als feiner, gebildeter Mann zu benehmen, Wien: Hartleben, 1878.

5 Anton Marty (1847-1914), aus Schwyz stammender Philosoph (Sprachphilosoph) und Priester, seit 1880 Prager Professor; vgl. auch HSA 06876-06884.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01731)