Alois Pogatscher an Hugo Schuchardt (05-08893)
von Alois Pogatscher
an Hugo Schuchardt
23. 11. 1882
Deutsch
Schlagwörter: Kreolsprachen Universität Oxford Kontaktvermittlung Literaturbeschaffung The Imperial Gazetteer of India Spanisch
Deutsch
Französisch
Englisch Rhys, John Palmer, Abram Smythe Andresen, Karl Gustav Hoefer, Ferdinand Indien Australien Neuseeland Oxford
Zitiervorschlag: Alois Pogatscher an Hugo Schuchardt (05-08893). London, 23. 11. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6895, abgerufen am 03. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6895.
16 Selby Villas Anerley S.E. Engl.
23. November 1882.
Verehrter Herr Professor!
Erlauben Sie zunächst, daß ich mich wegen meines so überlangen Schweigens entschuldige. Ich war theilweise durch Unwohlsein, theilweise durch schulmeisterliche Pflichten so sehr an das Haus, ja fast an das Zimmer gebunden, daß ich längere Zeit nicht in die Stadt und nicht ins Museum kam. Meine Vormittage sind durch Schulstunden zum größten Theile ausgefüllt, und wenn es mir nicht gelingt, vor 3 oder halb 4 Uhr Nachmittags ins Museum zu kommen, so bekomme ich keine Bücher, da zwar das Lesezimmer bis 8 Uhr Abends offen und beleuchtet ist, nicht aber die Bibliotheksräume, wo die Bücher stehen, so daß nach Eintritt der Dämmerung nur die im Bibliothekssaale aufgestellten Bücher, deren Zahl natürlich beschränkt ist, zugänglich sind. So geschah es, daß ich mehrmals nach 3 Uhr kam und keine Bücher mehr erhalten konnte. |2| Auch jetzt habe ich nur wenig brauchbares mitzutheilen. Ich kenne und benütze gelegentlich Hunter’s Imperial Gazetteer,1 konnte aber kein kleineres Werk dieser Art auftreiben, obwohl ich im Museums-Kataloge den ganzen Artikel India durchsah. Ich suchte unter den periodischen Publikationen die von Goa auf und fand die auf dem beiligenden Blatte notirten.2 Ich kann nun leicht einige Stellen nachsehen oder auf Wunsch in einem oder dem andern dieser Blätter auf Sprachproben Jagd machen. In einigen Wochen beginnen meine Weihnachtsferien und dann kann ich wieder öfter ins Museum gehen.
Die beiligenden Blätter enthalten noch keine Notizen,3 die möglicher Weise nützlich sein können, obwohl ich annehmen darf, daß Sie diese Dinge schon lange eingeheimst haben.
Vor zwei Wochen ist von hier ein Herr nach Indien gereist, den ich zwar nicht selbst kenne, dessen Tochter ich aber unterrichte. Außerdem wird am 21. Dezember einer meiner Freunde nach Australien und Neu-Seeland ab- |3| gehen. Wenn Sie, verehrter Herr Professor, glauben, daß Ihnen die beiden irgend wie nützlich sein können, so bitte ich Sie, mich näheres wissen zu lassen. Der erstere ist außerdem Beamter in Indien und kann vielleicht durch seine Stellung um so leichter etwas thun.
Das kleine Kreol-Lied und die andere Bemerkung aus Larousse hielt ich für der Ausziehung wert. Was die fingirten Kreolendialekte der Romane betrifft, so kann unechtes der vergleichenden Kritik natürlich nicht Stand halten. Wenn man nach den in englischen Romanen eingestreuten deutschen und besonders französischen Brocken einen Schluß auf die Kreoldialekte ziehen darf – was mir nicht verwehrt scheint – so hat der Verfasser des Dictionn. Univ. wohl Recht.
Ende Oktober war ich in Oxford, das mir ungemein gefiel und mich sehr interessirte. Ich suchte Prof. Rhys4 auf, mit dem ich einmal speiste. Er so wie seine Frau sind liebenswürdige Leute und ich bin Ihnen für Ihr freundliches Empfehlungsschreiben zu bestem Dank verbunden. Ich bin von der Familie, die, seit Sie sie kennen, um eine zweite Tochter vermehrt ist, beauftragt, die freundlichsten Grüße zu melden.
|4|Palmer’s Folk-Etymology ist heraus.5 Es ist ein stattliches Buch von beinahe 700 eng gedruckten Seiten, ungemein reichen Inhaltes und meist richtig; es ist besser als meines geworden wäre, obwohl verschathieden angelegt. Die Idee, eine Ilias post Homerum zu schreiben, gebe ich allmälig auf, obwohl begreiflicher Weise mit Bedauern. So bin ich wieder um eine Illusion ärmer. Freilich hat Palmer kaum mehr gethan als das Material – mit einigem Schutt – angehäuft; der Baumeister hat erst zu kommen. In seiner Art ist es viel bedeutender, reicher und gehaltvoller als selbst Andresen’s dritte Auflage.
Die Universität in Oxford hat ein Preis-Gedicht über die Inez de Castro ausgeschrieben,6 und einer meiner Bekannten, der sich um den Preis zu bewerben gedenkt, will Spanisch lernen, um Quellen zu lesen. Könnten Sie eine gute spanische Grammatik – deutsch, französisch oder englisch geschrieben – empfehlen und mir freundlichst einige Quellen angeben, die sich nicht in den gewöhnlichen Hilfsmitteln, bes. Hoefer’s Biographie universelle vorfinden? Es wäre mir und meinem Freunde damit ein großer Dienst erwiesen.7
Ich bin gern bereit, Briefe ins Englische zu übersetzen. Auch hoffe ich, noch irgend wo einen mildherzigen Verleger zu entdecken; bisher habe ich nur so wenig Zeit gehabt. Ich bitte mich wissen zu lassen, was ich sonst noch thun kann.
Mit dem Ausdruck meiner besonderen Hochachtung zeichne ich mich
Ergebens
APogatscher
1 The Imperial Gazetteer of India. (Ed. by) W(alter) W(ilson) Hunter, London: N. Trübner, 1881, Vol. 1-9.
2 Nicht erhalten.
3 Nicht erhalten.
4 John Rhys (1840-1915), Keltist, Professor in Oxford. Er hatte zweitweilig in Deutschland studiert. Vgl. auch HSA, Briefe 09496-09518. Seit 1872 war er mit Elspeth Hughes-Davies verheiratet, die höchst moderne pädagogische Ansichten vertrat.
5 Vgl. Brief 04-08892.
6 John Bower Buchanan Nichols, Inez de Castro: Newdigate prize poem recited in the Sheldonian Theatre, Oxford, 13 June 1883.
7 Biographie universelle ancienne et moderne, Bd. 21, HR-JO, Paris: L. G. Michaud, 1818, 211-213 (Delandine du St.-Esprit). - Ferdinand Hoefer (1811-1878), der hier gemeint ist, war ein deutsch-französischer Arzt und Lexikograph; er hatte seit 1851 die Leitung der Nouvelle Biographie générale inne. Dort findet sich in Bd.25, 1858, Sp. 842-851 ein besonders gründlicher Artikel von Ferdinand Denis.