Hugo Schuchardt Archiv

Gotha (Grosse Loebleberstrasse 33) 8 Okt 89

Lieber Freund,

[S. 333-336]

Sooft ich nach Gotha komme, trage ich mich mit der Absicht, einige Stunden auf einen Besuch in Weimar zu verwenden; aber dann wird es mir zu schwer meine Mutter um diese Stunde zu verkürzen oder meine ewige Nervenschwäche hindert mich |2| hieran, wie an so vielem, an dem Meisten Anderen. Gern hätte ich auch jetzt wiederum einen Abstecher nach Weimar gemacht, und mit Ihnen über so Manches (z. B. über Freund Katonas allzuweitschweifiges Unternehmen einer Revue centrale für Folklore,¹ oder über Thiermärchen u. dgl. zu plaudern), aber eben erst, mir war ziemlich elend, aus dem Nordseebade von Sylt, angekommen,² kann ich mich |3| nur ganz vorübergehend in hiesiger Gegend aufhalten. Da ich gerade mit Indoportugiesisch wiederum zu thun habe, so würden Sie mich sehr verpflichten, wenn Sie mir aus der Bibliothek

Gover’s Folk Songs of Southern India³

hierher senden könnten (doch so, dass ich am Freitag das Buch hätte). Enthält es [nichts] für meine Zwecke |4| so schicke ich es gleich zurück, im andern Falle würden Sie mir wohl erlauben es für einige Wochen nach Graz mitzunehmen.

Bestens grüssend

Ihr herzlich ergebener

HSchuchardt