Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (144-S.349-352)

von Hugo Schuchardt

an Reinhold Köhler

Graz

Unbekannt

language Deutsch

Schlagwörter: Kreolischsprachige Literatur Kreolsprachen Folkloregesellschaft (Graz) Meyer, Gustav Schönbach, Anton Brink, Bernhard ten Mussafia, Adolf Surinam Magens, Jochum Melchior (1770)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (144-S.349-352). Graz. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6795, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6795.


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[o. D. (Graz, Anfang / Mitte Juni 1882 ?)]1

Lieber Freund!

[S. 349-352]

Besten Dank für den Changuion! Könnten Sie mir nicht das nächste Mal das Buch oder die Bücher unter recommandirtem Kreuzband senden? Es ist bequemer, billiger, kürzer (die Mauth ist ½ Stunde von meiner Wohnung) und durchaus sicher. Ich bekomme Bücher von Amerika auf diese Weise (man kann sie ebenso verpacken, nur den Bindfaden nicht siegeln), so neulich von Charles Leland seine Gypsies2 in schönem Einband ohne die geringste Versehrung.+ (+Heute ein Kreolisches Büchlein aus Surinam, das mich 21 fl. kostet. Man sage mir, ich bringe der Wissenschaft keine Opfer!) Ich schicke entweder den Kostenbetrag |2| nach meiner Schätzung in deutschen Briefmarken vorher an Sie (mit dem Empfangsschein) oder nach Ihrer Angabe hinterher.

Ich werde übrigens für die nächste Zeit Ihre Bibliothek kaum sehr incommodiren; ich glaubte, Sie hätten mehr Creolische+ (+ Wie steht es mit afrik. Linguistik?) Nur die Grammatik von Magens3 habe ich noch nicht und werde nächstens darum bitten, wenn ich den Changuion zurückschicke.

Unser Folkloregesellschaft4 wird noch viel Schwierigkeiten durchzumachen haben, ehe sie sich als wohlgerathenes Kind der Welt präsentiren kann. Tot capita tot sensus! Nächstens haben wir Statutenberahtung und da ist |3| der alte Vernaleken5 dabei; ich kenne ihn noch nicht näher, er scheint mir etwas unpraktische Ansichten zu haben. Was ist zu seinen Sachen?

Misslich ist es auch, dass Meyer und ich mit Schönbach, der, ohne dass ich damit seiner wissenschaftlichen Tüchtigkeit zu nahe treten will, sehr eingebildet, empfindlich und kleinlich ist, jetzt nicht gut stehen. Germanisten aber müssen entschieden – schon wegen des Dialekts – dabei sein.

Danke für den Verweis auf Ten Brink. Ja, da werde ich es gelesen haben!6

Sie scheinen sich doch vom österreichischen Hofrath nicht die genügende Vorstellung zu machen; in so jungen Jahren wie Mussafia wird er kaum ein Professor der phil. Fak.

|4| Mussafia geht es in der letzten Zeit besser. Überhaupt glaube ich nicht dass er bei seiner ernsten Krankheit so viel auszustehen hat, als ich bei meiner Neurasthenie. Denken Sie, ich bin jetzt, um Nichts unversucht zu lassen, Vegetarianer geworden!

Vielleicht komme ich in Ihre Nähe, d. h. nach Alexanderbad7 im Fichtelgebirge. Fliegen Sie denn nie aus?

Herzlichst Ihr

H. Schuchardt


1 Antwort auf Köhler, Brief 05719.

2 Charles Gofrey Leland, English Gipsies and Their Language, London: Paul, 1893.

3 Jochum Melchior Magens, Grammatica over det Creolske sprog, som bruges paa de trende Danske Eilande, St. Croix, St. Thomas og St. Jans I America. Samenskrevet og opsat af en paa St. Thomas Indföd Mand. Danish Kiøbenhavn: Gerhard Giese Salikath, 1770.

4 Vgl. Schuchardts Brief vom 25.6.1882.

5 Theodor Vernaleken (1812-1907), deutscher Germanist, Volkskundler und Pädagoge, Schulpädagoge, ab 1850 Seminardirektor in Wien; seit seiner Pensionierung 1877 wohnte er in Graz.

6 Vgl. Köhlers Brief 05719.

7 Diese Reise fand im August/September 1882 statt.

Faksimiles: Die Verwendung dieses Exemplars im „Hugo Schuchardt Archiv” wurde von der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs gestattet. (Sig. S.349)