Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (141-S.275-278)

von Hugo Schuchardt

an Reinhold Köhler

Graz

03. 06. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Universitätsbibliothek Graz Kreolistik Folkloregesellschaft (Graz) Machado y Álvarez, Antonio St. Thomas

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (141-S.275-278). Graz, 03. 06. 1882. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6792, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6792.


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Graz 3 Juni 1882

Lieber Freund!

[S. 275-278]

Vor einigen Tagen habe ich Ihnen die von der Gr. B. entliehenen Bücher unter rekommandirtem Kreuzband – ich denke dieser Modus ist einfacher und rascher, auch für die Bücher nicht unvortheilhafter als der gewöhnliche – zurückgesandt. Ich danke Ihnen bestens und bitte nochmals wegen der Verzögerung um Entschuldigung. Sie haben ja wohl seiner Zeit das kleine |2| Werk von Marx erhalten? Ich frage nur; es ist durchaus nicht nöthig, es schon zurückzugeben.1

Wenn Sie in Antiquariatskatalogen (von denen mir wenige, etwa der Köhler’sche und sonst einer oder der andere in die Hände kommen) oder sonst wo auf Kreolisches stossen sollten, bitte machen Sie mich darauf aufmerksam. Meine Bibliothek ist schon recht ansehnlich, es fehlt aber noch Manches und nicht einmal besonders Seltenes, aber eben doch Solches, was nur gelegentlich zu erlangen ist.

|3| Ich habe schon recht schöne private Mittheilungen erhalten, so von den Inseln S. Thomé, S. Thiago und Réunion; es läuft auch schon etwas folk-lore mit unter.

Mein Freund Machado hat mich auf den Gedanken einer östreichischen Folk-loregesellschaft gebracht; ich habe mir zwei andere Herren gekauft,2 die darin fast noch mehr zu Hause sind als ich (d. h. wir sind alle drei keine großen Autoritäten) und wir wollen sehen, ob wir den Stein ins Rollen bringen.3

|4| Glauben Sie, dass die Stelle Matth. 18,194 zu dem Aberglauben Veranlassung gegeben hat, dass wenn zwei zu gleicher Zeit dasselbe denken, ihnen ein Wunsch in Erfüllung geht (Variante: sie leben noch ein Jahr zusammen)?

Mit herzlichstem Grusse

Ihr ergebenster

Hugo Schuchardt


1 Vgl. Schuchardts Brief vom 14.2.1881. – Am oberen Briefrand wohl von Köhler die folgende Bleistiftnotiz: 9. Juli v. J. zurückgeschickt u. xbd. [=unter Kreuzband] u. eingeschr. Anzeige von der Univbibl.; s. weiterhin Köhlers Brief  05719.

2 Es waren Gustav Meyer und der Grazer Bibliothekar und Historiker Anton Schlosser (1849-1942).

3 Vgl. Das Zirkular im Anhang zu Schuchardts Brief vom 25.6.1882. – Die „Gesellschaft“ kam offenbar über eine konstituierende Sitzung nicht hinaus, vgl. Brief Schuchardts vom 20.1.1899 (HSA 103-SG27) an Henri Gaidoz: „Ich hätte schon früher dazu gethan, aber, obwohl ich gelegentlich mit dem Folklore zu thun habe, bin ich doch kein Folklorist. Freilich habe ich einstmals mit G. Meyer eine Folkloregesellschaft gegründet und war deren Präsident; aber wir sind nie über die constituirende Sitzung hinausgekommen und ich beglückwünsche mich dazu - tot capita tot sensus!“ – Vgl. aber auch den Brief vom 22.6.1882 an Reinhold Köhler.

4 Nach Martin Luther: „Wahrlich, ich sage euch auch: Wenn zwei unter euch eins werden auf Erden worum sie bitten wollen, so soll es ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel“. Hier vermutlich auf die Gründung einer nicht nachweisbaren Folklore- oder Volkskunde-Gesellschaft in Österreich bezogen.

Faksimiles: Die Verwendung dieses Exemplars im „Hugo Schuchardt Archiv” wurde von der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs gestattet. (Sig. S.275)