Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (063-S.133-136)

von Hugo Schuchardt

an Reinhold Köhler

Gohlis

16. 05. 1872

language Deutsch

Schlagwörter: language Kalabresische Dialekte Mattei, Antonio (1867) Traina, Antonio (1868–1873)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (063-S.133-136). Gohlis, 16. 05. 1872. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6712, abgerufen am 22. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6712.


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[Gohlis. Bei Leipzig, 16.5.72]


Lieber Freund!

[S. 133-136]

Können Sie mir folgendes zukommen lassen?

1. Uebersetzung von Gerus. Liberata in‘s Calabresische1

2. Eine Sammlung corsischer Volkslieder (von einem Franzosen), die ich einmal von Ihnen gehabt habe

3. Propugnatore IV u. V oder wenigstens den in letzterem Bande enthaltenen Aufsatz von Rajna über die Orthographie des Fioravante.2

und – ich zweifele ob Sie es besitzen –

Mattei, Proverbi, detti e massime corse Paris 1867.

Haben Sie sonst noch etwas Corsisches für mich? Ist endlich

Traina, Nuovo Vocabulario Siciliano-italiano3

|2| von Ihnen angeschafft worden und enthält es über Aussprache der Buchstaben Näheres, sei es in der Einleitung oder sei es zu Beginn jedes Buchstaben? di Giovanni, Filologia e letteratura siciliana,4 den ich bei Ihnen flüchtig angesehen habe, enthält wohl keine rein und speziell linguistischen Mittheilungen?

Hätten Sie vielleicht noch die Güte, jene Poesias des Batacchi (oder wie der Kerl heißt) Castio5castiores, die in Ihrem Privatbesitze sind, beizulegen?6

Ich hoffe Sie binnen wenigen Tagen zu einem recht vergnügten Feste hier zu sehen. Ich würde Ihnen von Neuem die Anerbietung, bei uns zu logiren, gemacht haben, wenn ich nicht von Hildebrand wüßte, daß Sie in der Nähe des Schützenhauses eine Wohnung suchten und wenn ich nicht ½ Stunde davon in Gohlis wohnte (Langenstrasse 28),7 übrigens keineswegs zu ländlich, sondern in einer sehr schönen Villa.

Mit herzlichstem Gruße
Ihr

H. Schuchardt

|4| Die korsischen Lieder bei Tommaseo sind doch wohl nicht in Mundart?8


1 Vgl. Schuchardts Brief vom 27.12.70.

2 Pio Rajna, „Osservazioni fonologiche a proposito di un manoscritto della Biblioteca Magliabechiana“, Il Propugnatore, 5, 1872, 29-63.

3 Antonio Traina, Nuovo vocabolario Siciliano-Italiano, Palermo: Lauriel, 1868.

4 Vincenzo Di Giovanni, Filologia e letteratura siciliana, Palermo: Lauriel, 1871.

5 Wohl „castior“? Die beiden Komparativformen beziehen sich vermutlich (ironisch) auf den freizügigen Inhalt der Verse Batacchis.

6 Gemeint ist Domenico Luigi Batacchi (1748-1802), Verfasser von Novellen. Es gibt eine einbändige Ausg. Opere complete, Paris 1830 (enthält Novelle, La Rete di Vulcano und Il Zibaldone). – Vgl. auch Köhler, „Goethe und der italienische Dichter Domenico Batacchi“, Berichte der Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. 1890, 72-78 (auch in: Kleinere Schriften 3, 155-169).

7 Stadtteil im Norden von Leipzig.

8 Niccolò Tommaseo, Canti popolari toscani corsi illirici greci, Venedig: Girolamo Tasso, 1841, II, 4ff.

Faksimiles: Die Verwendung dieses Exemplars im „Hugo Schuchardt Archiv” wurde von der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs gestattet. (Sig. S.133)