Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (052-S.105-106)

von Hugo Schuchardt

an Reinhold Köhler

Gotha

12. 06. 1871

language Deutsch

Schlagwörter: Keltologie Geschichtswissenschaft Kreolischsprachige Literaturlanguage Kalabresische Dialekte Scholle, Franz

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (052-S.105-106). Gotha, 12. 06. 1871. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6701, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6701.


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Gotha 12. Juni 71.


Lieber Freund!

[S. 105-106]

Mit bestem Danke sende ich Ihnen zunächst heute den größten Theil der entliehenen Bücher zurück: Bibliothèque de l’école des chartes 2 Bd. und ein Heft (M. Jubainville1 hat, beiläufig gesagt, mir selbst seine Abhandlung geschickt), Scholle,2 Houzé,3 die beiden Exemplare des römisch-märk. Wtbs.4 und die calabresische Gerus. liberata.5

Die 6 auf das Creolische bezüglichen Bücher habe ich zwar noch nicht absolvirt, werde sie aber morgen oder übermorgen abschicken, wenn nicht zu meinen Gunsten doch eine kleine Modifikation des Gesetzes, daß sämmtliche Bücher vom 15. Juni zum 1. Juli auf Stallfütterung zu setzen sind, ermöglicht wird. Voraussichtlich nämlich reise ich noch vor dem 1. Juli in ein Bad, und zwar, da im Reichstag über den Vorschlag, Norddeutsch- |2| land heizen zu lassen, zur Tagesordnung übergegangen worden ist, nicht, wie ich erst beabsichtigte, nach Ilmenau oder Liebenstein, sondern in ein etwas entfernteres. Da nun die Bücher doch wohl nur zum Zwecke der Revision eingeliefert werden müssen, ließe sich denn nicht jener Zeitraum abkürzen, so daß ich die Bücher jetzt zurückgäbe und schon in einigen Tagen wieder bekäme oder so daß ich sie noch einige Zeit behielte, aber doch vor dem 1. Juli wieder ablieferte? Letzeres würde mir, wäre ich nur meiner Arbeitsfähigkeit sicher, mit den Büchern bis dahin abschließen zu können, das Liebste sein.

Aber, wie gesagt, ich bin bereit, mich an den strengen Gesetzeslaut zu binten, wenn mit einer monatigen Vergünstigung irgend eine Unbequemlichkeit oder oder gar praevaricatio6 verbunden wäre.

Mit herzlichstem Gruße

Der Ihrige
H. Schuchardt


1 Henri d’Arbois de Jubainville (1827-1910), französischer Keltologe und Historiker; vgl. HSA 00152-00160.

2 Vermutlich Franz Scholle, Ueber den Begriff Tochtersprache; ein Beitrag zur gerechten Beurtheilung des Romanischen, namentlich des Französischen, Berlin: Weber, 1869.

3 Émile Houzé (1848-1921), belgischer Anthropologe, proklamierte die Überlegenheit der Kelten über die Germanen; Verf. mehrerer einschlägiger Monographien.

4 Nicht ermittelt.

5 La Gerusalemme liberata; poema trasportato in lingua Calabrese in ottava rima in questa prima edizion da Carlo Cusentino, Cosenza 1731.

6 „Pflichtverletzung“.

Faksimiles: Die Verwendung dieses Exemplars im „Hugo Schuchardt Archiv” wurde von der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs gestattet. (Sig. S.105)