Reinhold Köhler an Hugo Schuchardt (027-05696)
von Reinhold Köhler
an Hugo Schuchardt
19. 06. 1869
Deutsch
Schlagwörter: Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg Teza, Emilio Richter, Gustav Weimar Bridel, Philippe Sirice (1866)
Zitiervorschlag: Reinhold Köhler an Hugo Schuchardt (027-05696). Weimar, 19. 06. 1869. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6674, abgerufen am 11. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6674.
[Weimar, 19.6.1869]
Lieber Herr Doctor!
Erst heute komme ich dazu Ihren Brief zu beantworten und leider kann ich Ihnen nicht allzu viel tröstliches schreiben. Ich antworte nach der Reihe auf Ihre Fragen. Tscharner und Röder und Kind haben wir nicht.1 Über Schnellers beabsichtigstes Werk weiß ich nur was er mir voriges Jahr in einem Brief schrieb, den ich – nebst einem Auftrag desselben über die Etymologie von Gröden – hier beilege. Ich erbitte mir aber beides gelegentlich zurück.
Weder den Sammler für Geschichte und Statistik in Tirol,2 noch die Z. für Tirol u. Vorarlberg3 besitzen wir; was Sie einmal von uns gehabt haben, war ein Heft des seit einigen Jahren erscheinenden Archivs für Geschichte u. Alterthum Tirols.
Pironas Werk haben wir noch nicht,4 ich habe von seinem Erscheinen nichts bisher erfahren. Geben Sie mir den Titel etwas genauer an, so will ich es bestellen. Eben sehe ich in einem Brief Tezas vom Januar dieses Jahres, daß er mir doch von Pirona geschrieben hat. Das Werk heißt Vocabolario friulano, es fehlten aber gerade die Prolegomena noch. Ob seitdem diese Prolegg. erschienen sind? Ich werde jedenfalls das Werk bestellen. Ich schicke Ihnen einige von Teza pubicierte friulanische Lieder,5 die ich mir aber zurück erbitte.
|2| Die Argovia J. 1860 und die Bavaria besitzen wir, nicht aber Prinzinger, Gotthard, Frankensprung, Nabert.
Eine Zusammenstellung aller romanischen Ortsnamen auf deutschem Gebiet ist mir nicht bekannt, ebenso wenig eine Abhandlung über römische und romanische Elemente im Oberdeutschen.
Kennen Sie Steubs Herbsttage in Tirol, München 1867? Wir besitzen sie nicht, aber ich habe die Aufsätze seiner Zeit in der Beilage der A. Z. gelesen.6
Bacmeisters Alemannische Wanderungen I. Ortsnamen der keltisch-römischen Zeit, Stuttgart 1867, steht Ihnen zu Diensten. Dsgl. Mone Urgeschichte des Badischen Landes, wo viel von dem Einfluß der Römer gehandelt wird.
Schöpfs Tirolisches Id.7 u. Bridels Glossar haben wir.
Vonbun Sagen Vorarlbergs spricht nur in der Einleitung ein paar Worte über romanische Einwirkung auf die vorarlb. Mundart.
Bergmanns Untersuchungen über die Walser, Wien 1844, sind nur Abdruck aus dem Notizblatt zu den Wiener Jahrbüchern, 1844, Bd. CV-CVIII, die jedenfalls in Gotha vorhanden sind, sonst können Sie dieselben von uns bekommen.
Eben sehe ich zu meinem Bedauern, daß ich auf der Bibl. nicht ausdrückl. im Katalog nachgesehen habe, ob wir Burckhardt Bevölkerung des Alpengebirges haben. Sollte es, was ich jedoch kaum glaube, da ich mich sonst des Buchs wol erinnerte, doch da sein, so schicke ich es Ihnen mit Ihrer nächsten Bestellung.
Richter8 habe ich mehrere Tage nicht gesehen, er ist, wie ich höre, nicht |3| ganz wol, hält zwar seine Stunden, geht aber sonst nicht viel aus.
Nächsten Sonntag – 27. Juni – wird ausnahmsweise die sog. Vogelweide (kleiner Germanistenverein),9 die seit einigen Jahren im Sommer ungefähr 4 mal in Kösen Statt findet, in Weimar gehalten. Wollen Sie vielleicht auch kommen? Sie werden uns allen willkommen sein, halten sich doch auch bei den großen Philologenversammlungen Germanisten und Romanisten zusammen.
Ich weiß nicht mehr bestimmt, ob ich Ihnen schon über die mir von Ihnen geschickten römischen Märchen geschrieben habe. Sie sind durchaus nicht so wertlos und unbrauchbar wie Sie sie machten,10 im Gegenteil zum Teil mir sehr willkommen u. brauchbar. Ein andermal mehr davon.
Mit herzlichem Gruß – auf baldiges Wieder
sehen hier oder in Gotha
Ihr
Reinhold Köhler
Weimar
19. Juni 1869.
1 Zu den Namen vgl. Schuchardts Brief vom 14.6.1869.
2 Sammler für Geschichte und Statistik von Tirol, Innsbruck 1806-09.
3 Zeitschrift des Ferdinandeums für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck: Wagner, 1853-1920.
4 Vgl. Schuchardts Brief vom 14.6.1869.
5 Emilio Teza, „Canti d’amore nel Friuli“, Di Tutti 3, 1866, 541-546 .
6 Ludwig Steub, Herbsttage in Tirol, München: Carl Merhoff’s Verlag, 1867, S. IV : „Uebrigens habe ich diese Ethnographischen Betrachtungen, seitdem sie im Januar dieses Jahres in der Allgemeinen Zeitung erschienen, so weit es die Anlage gestattete, nach bestem Wissen zu begründen und zu erweitern gesucht, solche Zuthaten aber, welche wohl nicht jeden Leser ansprechen, lieber in Anmerkungen an den Schluß verlegt“.
7 Johann Baptist Schöpf, Tirolisches Idiotikon, Innsbruck: Wagner, 1866.
8 Gustav Richter, s. Schuchardts Brief vom 31.12.1868.
9 Die „Kösener Vogelweiden“ waren sommerliche Treffen von Karl August Koberstein, Reinhold Köhler und jüngeren Germanisten aus Halle, Jena, Leipzig und Weimar, die von 1852 bis 1868 stattfanden.