Ferdinand Hestermann an Hugo Schuchardt (6-04701)

von Ferdinand Hestermann

an Hugo Schuchardt

Wien

24. 03. 1917

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachen im Kaukasus Erster Weltkrieglanguage Etruskischlanguage Lykischlanguage Georgisch Ungarn Schuchardt, Hugo (1916)

Zitiervorschlag: Ferdinand Hestermann an Hugo Schuchardt (6-04701). Wien, 24. 03. 1917. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6647, abgerufen am 22. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6647.


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24.3.17

Sehr verehrter Herr Hofrat!

In meine Wiener Wohnung angekommen fand ich Ihre neueste Studie über berberische Hiatustilgung vor,1 deren Empfang ich Ihnen also hiermit mit ganz verbindlichem Dank bekanntgebe. Ich freue mich so sehr Ihrer staunenswert rüstigen Arbeitskraft, deren Tiefe und Breite mir schon Ihre angenehm gebotene Bücherliste der Opera omnia gezeigt hatte. Diesmal freue ich mich |2| aber noch ganz besonders, da es Ihnen, geehrter Herr Hofrat gelungen ist, uns in der großen berberischen Wissenschaft aus Ihrem reichhaltigen Geistesbesitze und sprachwissenschaftlichem Ringen ein gut Stück Arbeit zu bieten. Denn es ist ja eigentlich wahr, daß ein so Vielfaches unserer Kraft weit draußen sich bestätigt findet, und man zu wenig Arbeitskräfte und rührige Hände für die so umfangreichen näheren Probleme findet.

|3| Das war auch der Grund, der mich jetzt im Kriege zu dem Georgischen hinzog. Herr Hofrat hatten ja gewiß das von mir vollkommen akzeptierte Recht, meine gewisse Zerfahrenheit mir nahezulegen. Und ich hatte sie als ganz spontan aus meiner Vergangenheit mit ihrem sonderbaren Laufe her resultierend dargelegt. Dennoch habe ich langsamerhand durch das Etruskisch- Lykische auf das Kaukasische, speziell Georgi- |4| sche sie vorgebahnt. Eben habe ich versucht, ein wenig die Transkriptionsfrage zu nivellieren, – natürlich nur vorläufig bis Experimentalphonetik uns tiefer aufklärt – und schon habe ich das Thema des Umbruchs und seiner Analyse mit 30 Seiten begonnen, dem ich lange meine Kraft zu widmen gedenke. Das ist gewiß ein Gebiet, was Ihnen am Herzen liegt. – Ich war seit Weihnachten in Bad Hall im Sanatorium auf Erzieherposten, lebe augenblicklich in gleicher Eigenschaft bis 4. April in Baden, gehe dann auch so nach Ungarn.

Ich empfehle mich mit dankbarsten Grüßen

ergebenst

Ferd. Hestermann

P. S. Fast hätte ich meinen Dank für Ihre lb. Glückwünsche zu meinem Doktorat noch vergessen. Ich fühle darin ein Wachsen meiner Arbeitskraft.


1 Schuchardt, „Berberische Hiatustilgung“, Sitzungsberichte d. Wien. Ak. 182, 1916, 1-60. [Archiv-/Breviernummer: 687].

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04701)