Theodor Gartner an Hugo Schuchardt (061-03408)

von Theodor Gartner

an Hugo Schuchardt

Tschernowitz

18. 02. 1886

language Deutsch

Schlagwörter: language Deutsche Dialekte

Zitiervorschlag: Theodor Gartner an Hugo Schuchardt (061-03408). Tschernowitz, 18. 02. 1886. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6564, abgerufen am 16. 07. 2025. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6564.


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V. H. C.!

Schönen Dank für das slawisierte milliarium! Das ist recht merkwürdig. – Die S-Laute in grüssen und blasen werden, so viel ich weiss, im Bair. unterschieden, gewiss die in kriasat und plǫzat (conj. praet.), nur weiss ich nicht, ob der Unterschied bei allen Baiern, so wie bei mir und, wenn ich nicht irre, überhaupt in Wien, in der Stimmhaftigkeit und Stimmlosigkeit liegt; vielleicht nur in der Stärke oder in der Länge des (stimmlosen) s. Mit Straßen und Gassen reimt Rasen nicht, mit stößen (stossen) nicht Besen, mit Wasserl (Wasser) nicht Waserl (Waise), mit Sessel nicht Esel; und doch ist deren Assonanz ganz rein. Gerade an der windischen Grenze, nämlich in Klagenfurt, bemerkte ich letztens, dass besser wie beser gesprochen wurde (und von derselben Person, wie ich Ihnen gemeldet zu haben glaube, du mit stimmhaftem d). Niassn (sternuere) sagt man, nicht niazn, trotz d. schriftdt. niesen, auch Zeisserl (Zeisig). Der sehr phonetische Ziska (1822)1 vermengt nie die zwei Zischlaute. Ich frage übrigens weiter.

Ihr ergebener
Gtr.

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1 Meist Franz Tschischka (auch Žiška, Ziska; 1756-1855), österr. Kulturhistoriker und Sammler von Volksliedern; hier sind gemeint Österreichische Volksmärchen Wien: Armbruster, 1822.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03408)