Theodor Gartner an Hugo Schuchardt (001-03348)

von Theodor Gartner

an Hugo Schuchardt

Wien

06. 05. 1878

language Deutsch

Schlagwörter: language Rätoromanische Sprachenlanguage Französischbasierte Kreolsprache (Barthélemy) Schuchardt, Hugo (1913)

Zitiervorschlag: Theodor Gartner an Hugo Schuchardt (001-03348). Wien, 06. 05. 1878. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6500, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6500.


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Hochgeehrter Herr Professor!

Die Sammlung rätselhafter gred. Wörter, die ich Ihnen hiemit zu schicken die Ehre habe, ist wider Erwarten klein ausgefallen. Dieß kommt daher, daß 1.) die term. techn. weggelassen sind, und 2.) daß ich auch alle jene ausschloß, die augenscheinlich fremd (it. od. dt.) sind. Selbst unter den aufgenommenen sind drędiạ,1 pǫpul und tsiŋk verdächtig.

In dankbarer Erinnerung an die freundliche Aufnahme, die sie mir und meinem Erstlingsversuche2 gestern haben angedeihen lassen, zeichne ich mich mit ausgezeichneter Hochachtung

als Ihnen ergebener
TheodGartner.
Wien, den 6. Mai 1878.

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ạbramí, -ída, vor Kälte erstarrt.

ạŋšúdạ f., Frühling.

bạgánạ f., Männerrock.

bϙ oder dȩ bϙ (dȩ vęlk), etwas, un peu (de qch.)

bráus, -sạ (hartes s), von unangenehmem Geschmacke.

digúei m. sing. tant., Grummet.

doudę vb. refl. (íe mȩ dóudȩ), sich schämen.

drędiạ f., Menge, caterva.

frátạ f. sing. tant., Gesindel; m. sing. tant., Lump.

fúiạ f., Tasche.

grạzálạ f., Kehle.

inϙ, wieder.

intulí (inchoat.) vb. refl., einschlummern.

las, lázạ, kahl; lạ lázạ, d. Glatze.

máuk m., Geschwür.

móunȩ m., Messner.

móur, Knabe, móurạ, Mädchen (in Wolkenstein; in St Ulrich: mut, mútạ; in Pufels: bot, bódạ.).

ntoŋ indecl., gesund.

pạ (zuweilen mit d. Vb.-formen verwachsen) enklit., fast obligate, daher bedeutungslose Fragepartikel (auch nach imperat.).

pϙpul m. (Blumen-) Knospe.

rȩvél (veraltet), bisweilen.

róiạ f., Wasserrinne. (gred. -ói = lat. -orium)

rúŋflạ f., Runzel.

šáldi adv. u. invar. adj., viel

sęvạ f., Säule, großer Zaunpfahl.

síenạ f., Strauch.

škạnę (íe škánȩ), spreizen.

škȩrpạnt, -tạ, gebrechlich.

škif, škívạ, eng (v. Kleidern).

sourí invar., leicht (facilis); souridạntsạ f. Leichtigkeit.

súi kátȩr, súi tšiŋk …. quartus, quintus ....

tlápạ f. Ochsenhufeisen.

tsiŋk, -kạ (od. tsíntχạ) gesprenkelt.

tšis adv., sehr.

tχạlę (íe tχạlȩ) schauen.

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várạ f., ebenes Feld, ebene Wiese.

vȩzúel m., vȩzϙla f., Zicklein.

žbúrdlạ f., Stoß, Schub.

žburiạ (íe žburíeiȩ), schinden, abschürfen.

žgritš m. sing. tant., Frostschütteln.

zírạ f., List, Verschlagenheit; ziróus, -zạ, listig.

žvạiạ (íe žvęiȩ) schreien; žvęi Geschrei.3


1 Der Buchstabe a mit untergesetztem Trema konnte nicht konfiguriert werden, jedoch mit einem untergesetzten Punkt (ạ), der hier und im Folgenden an seine Stelle tritt. Aus dem gleichen Grund musste bei ȩ, ę und ϙ auf die Wiedergabe des Akzents verzichtet werden. Diphthonge sind unterstrichen dargestellt.

2 Vermutlich das Konzept oder gar die Fahnen von Die Gredner Mundart, Linz: Selbstverlag, 1878.

3 Auf diese Liste kommt Schuchardt noch 1913 aus Anlaß von Gartners 70. Geburtstag zurück, vgl. Deutsche Schmerzen, 1913, S. 5: „vielleicht harrt von den über vierzig ,rätselhaften‘ grednerischen Wörtern die Sie mir im Frühjahr 1878 schickten, noch das eine oder andere der Aufklärung“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03348)