Hermann Niemeyer an Hugo Schuchardt (21-07867)

von Hermann Niemeyer

an Hugo Schuchardt

Halle

07. 09. 1923

language Deutsch

Schlagwörter: Drucklegung Inflation

Zitiervorschlag: Hermann Niemeyer an Hugo Schuchardt (21-07867). Halle, 07. 09. 1923. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6489, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6489.


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Max Niemeyer
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Herrn Geh. Hofrat Professor Dr. Schuchardt, Graz.

Sehr verehrter Herr Geheimrat!

Es ist mir keineswegs leicht gefallen, Ihnen die Freude an der Herstellung Ihres Buches zu nehmen und ich freue mich, Ihnen heute mitteilen zu können, dass ich nun heute doch Ihr Werk als einzigstes in Druckauftrag gegeben habe. Meine neuliche Absage an Sie geschah nicht ohne zwingende Notwendigkeit, heute nun haben sich durch die weitere rapide Markentwertung die Setzerlöhne wieder mehr den allgemeinen Verhältnissen angepasst und ich hoffe deshalb, da es sich nur um wenige Bogen handelt, die Drucklegung nun doch noch ermöglichen zu können, wenn nicht noch unvorhergesehene Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben auftauchen, denn wohin wir steuern, weiss wohl heute niemand mehr.1

Wie empfindlich sich die Verhältnisse in den letzten 4-6 Wochen verschoben haben, kann ein Aussenstehender kaum beurteilen. Jede Berechnung eines Buches ist unmöglich geworden. Die Herstellungskosten Ihres kleinen Bandes werden jetzt nicht mehr Millionen sondern Milliarden betragen. Sie können vielleicht darnach ermessen, in wie grossen Konflikten sich der wissenschaftliche Verlag befindet. Ausserdem ruht nicht nur der Absatz im Inlande fast ganz, da die Bücher für die Interessierten Kreise unerschwinglich geworden sind, auch im Verkehr mit dem Ausland macht sich eine Stockung bemerkbar. Ich bin deshalb gezwungen gewesen sogar den Druck der Zeitschriften gänzlich einzustellen, mit Ausnahme einiger Hefte, die kurz vor der Vollendung standen.

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Wenn ich Ihnen gegenüber nun trotz allem versuchen will, mein Versprechen einzulösen, so möchte ich daran die Bitte knüpfen, die Korrekturen doch so schnell wie irgend möglich zu erledigen. Ausser dem ist es Ihnen in Anbetracht der ungeheuren Herstellungskosten vielleicht doch möglich bei Erscheinen des Buches für den Absatz einer Anzahl von Exemplaren einzutreten.

Ihre Wünsche, die Sie in Ihrem vorletztem Schreiben betreffs des Satzes äusserten, wird die Druckerei selbstverständlich berücksichtigen.

Mit hochachtungsvollen Grüssen

Ihr sehr ergebener

Max Niemeyer


1 Die „Hyperinflation“ erreichte gegen Ende 1923 ihren Höhepunkt, zumal Deutschland aufgrund der Versailler Verträge keine Auslandsanleihen aufnehmen durfte. Die Einführung der Rentenmark am 15. November, die die Papiermark ablöste, sorgte für Entspannung. Vgl. Alexander Philip, O. Binnewies, D. Franchi, Die Deutsche Inflation 1914-1923: Ursachen und Verlauf, München 2007.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07867)