Otto Braun an Hugo Schuchardt (12-01319)

von Otto Braun

an Hugo Schuchardt

München

30. 12. 1884

language Deutsch

Schlagwörter: Besuche bei Schuchardtlanguage Nordostkaukasische Sprachen (nacho-dagestanische Sprachen) Noé, Heinrich August Graz Schuchardt, Hugo (1884)

Zitiervorschlag: Otto Braun an Hugo Schuchardt (12-01319). München, 30. 12. 1884. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6394, abgerufen am 30. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6394.


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Sr. Hochwohlg. Herrn Prof. D.r Hugo Schuchardt in Graz.
Redaction
der
Allgemeinen Zeitung München, 30 Dec. 1884.

Hochgeehrter Herr!

Ihre Besorgniß, daß ich Sie während meines diesjährigen Besuches in Graz wenig „beieinander“ gefunden und einen „schlechten Eindruck“ von Ihnen erhalten haben möchte, darf ich in aller Aufrichtigkeit als eine vollkommen unbegründete bezeichnen. Ich war im Gegentheil von Ihrer jugendlichen Frische und Lebendigkeit um so angenehmer berührt, als ich Sie mir nach dem, was Sie mir früher einmal geschrieben und was ich seitdem auch von anderer Seite über Ihr nervöses Leiden gehört, fast als einen gebrochenen Mann vorstellen mußte. Sie müssen die freudige Überraschung, die sich meiner bei unserm ersten Zusammentreffen bemächtigte, selbst wahrgenommen haben. Wer aber an jenem Tage nicht „bei einander“ war und es auch die ganze Zeit seines Aufenthaltes in dem schönen Graz blieb, war Ihr gehorsamer Diener, der sich einer aus Italien mitgebrachten Cholerina1 trotz aller angewandten Mittel nicht zu erwehren vermochte. Nun, hoffentlich treffen wir uns Beide recht bald einmal unter einem günstigeren Stern wieder! Das punctum saliens Ihres Briefes, Ihre Arbeit über Miklosich, anlangend,2 so wüßte ich schon im Augenblick keinen besseren und zugleich auch willigeren Gewährsmann namhaft zu machen, als Freund Noé,3 der auf dem Gebiete der slavischen Sprachen gut bewandert ist (vgl. seinen Artikel über „Slaven in Italien“ in Nro 284 der ,Allg. Ztg‘, Beilage) und nebenbei auch wie Wenige die Gabe besitzt, dergleichen streng wissenschaftliche Dinge einem größeren, nicht fachmäßig gebildeten Publicum mundgerecht zu machen. Ich möchte Ihnen deshalb – salvo meliori – den Rath geben, sich unter Berufung auf meine Zustimmung direct an seine Adresse (Dr Heinrich Noé, Görz, Villa Weinsberg) zu wenden. Ein freundliches Entgegenkommen seinerseits glaube ich Ihnen in sichere Aussicht stellen zu dürfen.

Mit der Bitte, mich all den Grazer Freunden, denen ich mich durch ein höchst unfreiwilliges Schweigen tief verschuldet fühle, bestens zu empfehlen und mit herzlichen Wünschen zum neuen Jahre verbleibe ich

Ihr

vertrauensvoll ergebener

Otto BraunWarum der Briefwechsel endet, wissen wir leider nicht.


1 Span.. wie ital. colerina, „Brechdurchfall“.

2 Schuchardt, Dem Herrn Franz von Miklosich zum 20. November 1883. Slawo-deutsches und Slawo-italienisches. Graz: Leuschner & Lubensky, 1884.

3 Heinrich August Noé (1835-1896), Bibliothekar und polyglotter Reiseschriftsteller, vgl. HSA 07926.

4 Warum der Briefwechsel endet, wissen wir leider nicht.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01319)