Maximilian David Niemeyer an Hugo Schuchardt (4-07885)

von Maximilian David Niemeyer

an Hugo Schuchardt

Halle

Unbekannt

language Deutsch

Schlagwörter: Zeitschrift für romanische Philologie Architektur Sendung unter Kreuzband (Drucksachen) Johns Hopkins University (Baltimore)

Zitiervorschlag: Maximilian David Niemeyer an Hugo Schuchardt (4-07885). Halle. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6345, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6345.


|1|

[s. d.; vermutlich Dezember 1878]1

Sehr geehrter Herr und werther Freund,

Dank für Ihren Brief. Ihren Zorn finde ich begreiflich. Ich habe auch verschiedene Zumuthungen von Seiten Rambeau erfahren,2 aber sie zurückgewiesen, jetzt scheint er vernünftig. Ich erlaube mir Ihnen nun anbei per xBd3
1 Rambeau Assonanzen4 zu übersenden, mit der Bitte dieselbe als freundliches Erinnerungszeichen in Ihrer Bibliothek aufzustellen.

Von Hasdeu5 habe ich nichts gehört. Weiß von ihm nichts als daß ich ihm die Zeitschrift in Gröbers Auftrag zusandte.

A Propos der Zeitschrift. Sie erhalten noch einige n[achträg]lichen [?] Honorarsendungen. Wir haben jetzt vereinbart, daß alle n[achträg]lichen Beträge erst am Schluß des Bandes verrechnet werden. Ich sende Ihnen also im Januar den Quark zusammen.

Für Stimming drucke [ich] jetzt [die] Ausgabe von Bertran de Born!6

|2|

Nun was Halle angeht! Die Stadt hat ein neues Denkmal, einen Straßen-Brunnen [?] erhalten. Er ist dahin gestellt wo früher der große Nacht[t]opf auf dem Markt sich befand, jetzt schifft das Denkmal aus 8 – 12 Rohren in schöne runde Becken und oben ziert das Ganze ein Landsknecht, als wichtiger Repräsentant von 1870/71.7 Was nun das übrige angeht, so sind die Menschen hier noch eben so verrückt wie zu Ihrer Zeit. Schumann mit seiner schönen Frau gehen spazieren und überlassen es der Welt zu beurtheilen, wer von beiden der Dümmste ist.8 Prof Kantor9 fährt fort den eifersüchtigen Hahn zu spielen und ist möglichst taktlos!

Kurz die liebe Gesellschaft hat genug Stoff zu kletschen und die Kaffées sind in voller Blüthe.

Die Stadt wächst nach allen Enden hin, die Bahnhofstraße wird viel erweitert, ob sie aber je erledigt werden wird, ist eine andre Frage. Das einzige was in letzter Zeit mit Energie gefördert wird, sind die Kliniken, die stattlich aus der Erde emporsteigen. Die Viertel [?] derselben ist wirklich einer Großstadt würdig.

|3|

Was hilft aber das alles, die Bevölkerung bleibt klein in Geist und Verstand.

Die Zeitschrift macht sich langsam auf den Weg die erste zu werden, auf 231 Abonnenten haben wir es gebracht. Mit Inhalt und Ausstattung werden Sie wohl auch zufrieden sein? Es freut mich, daß wir den Franzosen ein ebenbürtiges Blatt gegenüber aufgestellt haben.10

Förster11 zürnt zwar öfters!

Aber nur gering. Weiter Sie und Suchier. Ich habe furchtbare Kopfschmerzen.

Bald einmal mehr

Ihr

Max Niemeyer


1 Zur Datierung vgl. Brief 07880, auf den der vorliegende Bezug nimmt.

2 Es gibt einen Brief Rambeaus an Schuchardt (09125, Vevey, 7.10.1874).

3 Kreuzband.

4 Adolf Rambeau, Über die als echt nachweisbaren Assonanzen der Chanson de Roland. Ein Beitrag zur Kenntniss des altfranzösischen Vocalismus, Marburg 1877 (Phil. Diss.) [Auszug, 89 S.]; Vollfassung Halle: Niemeyer, 1878, X, 232 S. – Adolph / Adolf Rambeau (1852-1918) war deutscher Romanist und Anglist, der in Baltimore (Johns Hopkins), Boston (MIT) und ab 1906 in Berlin a.o. Professor für englische, italienische und spanische Sprache war. Vgl. seinen Brief vom 7.10.1874 an Schuchardt (HSA, 09125).

5 Vgl. Brief 07880.

6 Vgl. Brief 07881.

7 Vielleicht macht sich Niemeyer über den Marktbrunnen mit der Germania-Figur lustig, der 1925 im Zuge der Umgestaltung des Marktes abgerissen, jedoch wieder auf dem Triangel am Steintor aufgebaut wurde und bis zum Ende des 2. Weltkrieges existierte.

8 Vgl. Brief 07878.

9 Georg Cantor (1845-1918), ein bedeutender Mathematiker.

10 Gemeint ist die Romania. Recueil trimestriel consacré à l’étude des langues et littératures romanes, Paris 1872ff. , begründet und herausgegeben von Paul Meyer und Gaston Paris.

11 Wendelin Foerster (1844-1915), Romanist in Bonn; „zürnen“ meint wohl so viel wie „streng rezensieren“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07885)