Christian Schneller an Hugo Schuchardt (02-10139) Christian Schneller Frank-Rutger Hausmann Institut für Sprachwissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2022 Graz o:hsa.letter.6336 02-10139 Hugo Schuchardt Archiv Herausgeber Bernhard Hurch Karl-Franzens-Universität Graz Österreich Steiermark Graz Karl-Franzens-Universität Graz Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen 10139 Christian Schneller Papier Brief 3 Seiten Innsbruck 1877-11-12 Hugo Schuchardts wissenschaftlicher Nachlass (Bibliothek, Werkmanuskripte und wissenschaftliche Korrespondenz) kam nach seinem Tod 1927 laut Verfügung in seinem Testament als Geschenk an die UB Graz. Frank-Rutger Hausmann 2018 Die Korrespondenz zwischen Christian Schneller und Hugo Schuchardt Hugo Schuchardt Archiv Bernhard Hurch

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Hugo Schuchardt Archiv

Das Hugo Schuchardt Archiv widmet sich der Aufarbeitung des Gesamtwerks und des Nachlasses von Hugo Schuchardt (1842-1927). Die Onlinepräsentation stellt alle Schriften sowie eine umfangreiche Sekundärbibliografie zur Verfügung. Die Bearbeitung des Nachlasses legt besonderes Augenmerk auf die Erschließung der Korrespondenz, die zu großen Teilen bereits ediert vorliegt, und der Werkmanuskripte.

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Christian Schneller Innsbruck 1877-11-12 Hugo Schuchardt Austria Innsbruck Innsbruck 11.39454,47.26266 Korrespondenz Christian Schneller - Hugo Schuchardt Korrespondenz Italienisch Ladinisch Deutsch Slowenisch Wissenschaft Sprachwissenschaft Brief Deutsch
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Innsbruck 12. November 1877. Hochverehrter Herr!

Von einer Inspektionsreise aus Vorarlberg zurückgekehrt finde ich Ihr werthes Schreiben vor und bitte es zu entschuldigen, daß ich vielfach beschäftigt nicht sogleich dazu kam, Ihnen zu antworten.

Ladinia non cantat.Abwandlung des Taciteischen „Frisia non cantat“, das in der Germania auf die Niederländer gemünzt ist. Der Spruch ist wahr und unwahr zugleich. Die Ladiner haben wenigstens heute kaum irgendwie nennenswerthe Erzeugnisse der Volkspoesie; was sie singen, sind italienische canzonette, halb italienisch, halb ladinisch. Allerdings werden auch in Ladinien noch Spottgedichte mundartlich eben so wie Gelegenheitsgedichte fabrizirt, aber dies ist Kunstdichtung zum Lesen, nicht zum Singen.

In Wälschtirol ist Eigenes und Italienisches. Die Wälschtiroler wanderten nämlich früher sehr stark auf Arbeit nach Italien und brachten von dort italienische Volkslieder mit. Ich habe mir früher große Mühe gegeben zu sammeln und auch eine nicht ganz unbedeutende Zahl gesammelt und fast druckfertig geschrieben (bei 60 Nummern; bei näherer Durchsicht meiner Papiere würde sich die Zahl noch größer gestalten). Meine Kenntniß der Volksliederliteratur reicht nicht weit (Widter, Georg Widter, Volkslieder aus Venetien. Hrsg. von Adolf Wolf. Gesammelt von Georg Widter, Wien: Gerold in Komm., K. K. Hof- u. Staatsdruck, 1864. Righi Ettore Scipione Righi, Saggio di canti popolari veronesi, Verona: Libreria alla Minerva, 1863. ); doch habe ich bei Vergleichen gefunden, daß eine Zahl der von mir gesammelten theils bessere, theils schwächere Varianten enthält. Seit 1869 mußte ich ohnehin alles liegen lassen, da mir kaum freie Zeit zu derlei Dingen blieb und ich die mir wirklich noch erübrigende freie Zeit zu etwas Dankbarerem verwerthen wollte. So bin ich denn auch nie zur letzten Bearbeitung des Materials für einen II. Band meiner „Romanischen Mundarten“ gelangt.Einen Teil dises Materials bildet eben die oben erwähnte Liedersammlung.

Ich schließe einiges bei, was für Ihren Zweck dienlich sein mag, aber ich zweifle doch, ob Sie daraus etwas werden gewinnen können.Bezüglich der Titel kann man nur spekulieren, da Schneller einerseits selber dichtete, andererseits in Sammelwerken publizierte. Zu denken ist z.B. an Schneller, „Südtirol nach seinen geographischen, ethnographischen und geschichtlich-politischen Verhältnissen“, Österreichische Revue 1867, I.-III. Heft.

Mein in Ihrem Schreiben freundlichst erwähnter Aufsatz in Petermann’s Geograph. Mittheilungen: „Deutsche u. Romanen in Südtirol und Venetien“ Petermann's geographische Mitteilungen 23, 1877, H. 10, 356-385 (mit Karte). verfolgt, wie Sie sich seither wol überzeugt haben werden, einen ganz andern als einen linguistischen Zweck.*) [*) Die Farbengebung der Karte betreffs Kärnten (Pontafel) ist Petermann’s Sache gewesen.]Es handelt sich um Karte 17. Schneller spielt bei seiner Inkriminierung von Petermann's Kartographie wahrscheinlich auf den kleinen vollblauen (= friaulischen) Zipfel an, der just die Signatur von Pontafel (nicht Pontebba: das lag damals auf italienischem Gebiet, d.h. jenseits des Flusses Pontebba) abdeckt. Heute steht an der Stelle der alten Staatsgrenze noch der damalige Grenzstein. Pontebba / Pontafel / Pontabelj gehört heute zur Gemeinde Udine. Im Jahr 1900 hatte der Ort 804 Einwohner, davon 744 deutsch-, 12 slowenisch- und der Rest anderssprachig. Dennoch wurde er nach 1918 zu Italien geschlagen. Vgl. dazu Hans Goebl, „Das Raetoromanische und das Dolomitenladinische in der thematischen Kartographie der Siebziger- und Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts. Integraler und partieller Neudruck von vier Sprach- und Völkerkarten (Ascoli 1873, Schneller 1877, Gartner 1882 [a] und Le Monnier 1888/89)“, Ladinia 15, 1991, S. 181-201, bes. S. 185f. Ich bin empört darüber, daß diese bösen Nimmersatt von Italienern von der Brennergränze träumen und uns das schöne Südtirol wegfischen wollen. Vielleicht trägt mein Aufsatz dazu bei, daß vielen Deutschen die Augen aufgehen. Schneller endet seinen Beitrag wie folgt: „Die noch immer ungestillte Ländergier der Italiener ist etwas Bedauerliches. Nur diess wollen wir noch bemerkt haben und betonen, dass jeder Versuch Italiens, sein Gebiet nach Norden zu erweitern, eine im Ganzen und Grossen nahezu tausendjährige Grenze zu durchbrechen droht! Eine Missachtung dieser Thatsache wird nur zur Folge haben, dass der geträumte Völkerfriede wieder zum Völkerkriege und dem Rufe der Italiener nach Süd-Tirol vom Norden her der Ruf nach der Etsch-Grenze mit Verona und Legnano antworten wird. Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus!“

Ascoli war vor etwa 14 Tagen hier; wir verkehrten freundlichst miteinander, obwohl ich aus meinem national-deutschen Standpunkt ihm gegenüber kein Hehl machte. Er hat mit Namensforschungen in Graubünden begonnen; Ascoli hatte bereits 1873 Saggi ladini veröffentlicht. da treffen wir zusammen, weil ich auch eine kritische Sammlung von Orts- Flur- Wald- etc. Namen zunächst von OberinnthalDas Oberinntal erstreckt sich von der Grenze zum Schweizer Engadin bis Innsbruck. anzulegen begonnen habe. Ascoli meinte, solche Forschungen würden den ladinischen Wortschatz um eine neue Hälfte bereichern – und dieser Ansicht bin ich auch.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Chr Schneller