Hugo Schuchardt an Emilio Teza (28-ST16)

von Hugo Schuchardt

an Emilio Teza

Graz

30. 10. 1895

language Deutsch

Schlagwörter: language Georgisch Teza, Emilio (1895) Teza, Emilio (1895) Teza, Emilio (1895) Teza, Emilio (1894) Schuchardt, Hugo (1895) Schuchardt, Hugo (1895) Qiphiani, Dimitri (1882) Gippert, Jost (2002) Schuchardt, Hugo (1895) Abicht, Rudolf (1895)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Emilio Teza (28-ST16). Graz, 30. 10. 1895. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2018). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6221, abgerufen am 22. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6221.


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Graz, 30 Okt. 1895.1

Hochgelehrter Kollege,

Ich danke Ihnen bestens für den polyglotten Blumenstrauss den mir der Briefträger gestern überreichte.2 Von Ihrer Nachricht über die georgische Kapuzinergrammatik3 habe ich aber doch zu spät Kenntnis bekommen; wie gern hätte ich ihrer in der Schrift Über das G.4 oder in der Akademieabhandlung, die ich Ihnen heute erst sende,5 (und zwar S. 68) Erwähnung gethan. Beiläufig gesagt, sehen Sie ebendaselbst dass auch ich gegen die Schreibung Maggi protestirt habe.* (richtig schreibt den Namen Qiphiani in seiner Grammatik von 1882:6 დონ фრანჩესკო მაჯჯოს).7 Diese Grammatik interessiert mich sehr; es liesse sich vielleicht manche nützliche Bemerkung darin finden. Nicht als ob der betreffende Kapuziner sehr tief ins Georgische eingedrungen wäre; aber gerade als Fremder konnte er manches beachten worüber die Einheimischen hinwegzugehen pflegen. |2| Wenn er aber aγwhglijo, - ija auf armenische Aussprache zurückführt, so irrt er. Es gibt gewisse Verben die das stammhafte e im Perfekt und Futur zu i werden lassen, nicht bloss die welche nach dem e ein u haben, wie waphrenwaphrine, sondern auch einige andere: clawits‘serclawitγ’ire whglidže u.s.w. S. [12], Z. 5/6 v.u. ist vielleicht in der Handschrift ganwhgav oder – w (nicht – n) geschrieben, denn so lautet die 1. P.S. des Perfekts zur 3. P.S. ganhgo und zur 1. P.S. des Futurs ganwhago. Zu Ihrem Alphabet S. [6] Anm. gestatten Sie mir Folgendes zu bemerken. Warum p‘ und nicht pʼ, wie , ? Und wenn h = , h‘ = ჱ ist, was ist denn hε, da ი durch ε und durch ü wiedergeben wird? Statt Ant’onisi wird wohl auf derselben Seite Anto’nisa zu lesen sein. Sie schreiben S. 29 Zagareli, was in Widerspruch mit dem χ ist [gem. des] georgischen Alphabets steht. Цагарели, georg. ცაგარელ schreibt sich für die DeutschenZagarelli. Entschudligen Sie diese naseweisen Randbemerkungen eines Menschen der selbst nur ein blutiger Anfänger |3| ist. Als Druckfehler werden Sie selbst schon S. [2] Catais für Cutais ( a für u auch in dem Baschmann der Aggiunta S. [4] bemerkt haben.

Ich habe zwar schon eine ganze Reihe von georgischen Büchern mir zusammengetrommelt; gerade die Tšubinowsche Grammatik von 1855,8 die Sie besitzen, habe ich noch nicht einmal gesehen. Und das bedaure ich um so mehr als ich die kritischen Erörterungen, zu denen sie Anlass gab (s. meine Abh. S. 58f.) nicht völlig zu würdigen vermag.

Es existiren eine Menge handschriftlicher Grammatiken in georgischer Sprache; und so nimmt die Paris. Bibl. Nat. N ° 13 deren Sie Erwähnung thun,9 keine besondere Stellung ein, auch ist ihr Umfang nicht der Art dass sie viel Neues erwarten liesse. Immerhin will ich sehen ob ich sie nicht einmal – wenn das ohne zu grosse Weitläufigkeiten |4| möglich ist – hierher bekomme.

Zu den wenigen Leuten die sich mit dem Georgischen beschäftigen, gehört auch H. Kern in Leiden.10

Meinen Sie nicht dass in der oder den Bibliotheken von Genua sich georgische Hdss. finden könnten?

Lassen Sie einmal wieder von sich hören!

Mit herzlichem Grusse

Ihr

Hugo Schuchardt

Vom Buchhändler erhalte ich gerade eine lithographirte Schrift (von Dr. Abicht, Leipzig 1895),11 in welcher der Nachweis geführt werden soll dass das glagolitische Alphabet aus dem georgischen entsprungen ist.


1 Die dreijährige „Briefpause“ überrascht, oder sollten Briefe verloren sein?

2 Der Begleitbrief Tezas ist nicht erhalten. – Es könnte sich um die folgenden Publikationen handeln: „Dei primi studi sulle lingue indostaniche: alle note di G. A. Grierson“, Rendiconti della Reale Accademia dei lincei, Classe di scienze morali, storiche e filologiche, Serie 5., vol. 4, 1895; „Del nome Mpeched nella ,Diegesis phloriou kai platzia phlores‘“,ebd. vol. 4., fasc. 11; „Dalla Erofile di G. Chortatzês; saggi di vaecchie e nuove edizioni“, ebd. vol. 4, fasc. 12.

3 "Di una grammatica inedita della lingua georgiana scritta da un cappuccino d’Italia. Note di E. Teza“, Venezia, Tipografia Ferrari 1894 (Estr. dagli Atti del R. Istituto Veneto, Tomo vi, serie vii), 25-39.

4 Schuchardt, Über das Georgische, Wien 1895.

5 Schuchardt, „Über den passiven Charakter des Transitivs in den kaukasischen Sprachen“, SB d. phil.-hist. Cl. d. Kais. Akad. d. Wiss. Wien 133, 1895, 1-91.

6 Dimitri Qiphiani, Ahali kharthuli grammatika, St. Petersburg 1882 („Neue georgische Grammatik“).

7 Dazu teilt mir Dr. Gaga Shurgai mit: „si traslittera: ,don frančesk’o maǯǯos‘, ossia ,don Francesco Maggio‘, nome del celebre missionario, autore della prima grammatica di georgiano. Si osservi: 1) la prima lettera del nome di Franceso è una lettera cirillica, 2) nel cognome si ripete due volte la lettera ჯ ǯ, mentre il georgiano suole non ripetere le doppie nelle parole straniere; e.g., il cognome Müller si scrive მიულერი traslitt. ,miuleri‘, 3) il cognome di Maggio è al dativo“.

8 David Čubinašvili (Tšubinow); zu Einzelheiten Jost Gippert, „Ein wenig beachtetes Element der georgischen Verbalflexion“, in: W. Bublitz, M. von Roncador, H. Vater (Hrsg.), Philologie, Typologie und Sprachstruktur. Festschrift für Winfried Boeder zum 65. Geburtstag“, Frankfurt a. M u.a. 2002, 283-303. Gippert geht ausführlich auf Schuchardt ein; er zit. allerdings keine Grammatik Tšubinows, sondern mehrere Wörterbücher, insbes. Gruzino-Russkij slovar, vnov’sostavlennyj, Sanktpeterburg 1840 und spätere Ausgaben. Vgl. auch Schuchardt, „[Rez. von:] Tsagareli, A. A., Свѣдѣнiя о памятникахъ грузинской письменности. Nachrichten von den Denkmälern des georgischen Schriftenthums'“, Literarisches Zentralblatt für Deutschland 46, 1895, 1331-1333.

9 Unter den Manuscrits et fonds d’archives. Département des Manuscrits. Géorgien der Pariser BN finden sich mehrere Grammatiken, die heute andere Signaturen tragen als zur Zeit Schuchardts. Die von ihm genannte Nr. 13 ist heute das Ms. Géorgien 20 (K’art’uli gramatika), Inc.f.1r ღრამატიკა არს სწავლა ჴელთმძღუანელი კანონიერ უბნობისა ...

10 Johan Hendrik Caspar Kern (1833-1917), Sprachwissenschaftler in Leiden.

11 Rudolf Abicht, Ist die Ähnlichkeit des glagolitischen mit dem grusinischen Alphabet Zufall?, Leipzig 1895.

Faksimiles: Biblioteca Nazionale Marciana - Fondo Teza (Sig. ST16)