Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (498-272)
von Hugo Schuchardt
07. 01. 1925
Deutsch
Schlagwörter: Revue internationale des études basques Urquijo Ybarra, Julio de Meillet, Antoine Meyer-Lübke, Wilhelm Trombetti, Alfredo Cohen, Marcel Laoust, Émile Marokko Schuchardt, Hugo (1925) Schuchardt, Hugo (1923)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (498-272). Graz, 07. 01. 1925. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6191, abgerufen am 11. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6191.
Graz 7. I. '25.
Lieber Freund.
Wann ich Ihnen zum letzten Mal und was geschrieben habe, dessen entsinne ich mich nicht mehr. Meine Krankheit – ich danke Ihnen vielmals für den Ausdruck Ihrer Teilnahme – hat nun nicht mehr die beunruhigenden Erscheinungen des Anfangs (freilich habe ich auch ziemlich die Hoffnung verloren geheilt zu werden.) und so brauchte ich nicht mehr davon zu reden wenn ich nicht die Nachsicht meiner Korrespondenten bedürfte die darum wissen müssen wie schwer mir das Lesen und auch das Schreiben wird; Doch übe ich das letztere fast mit geschlossenen Augen aus. Ihre Schrift |2| hat mir nie auch nur die geringsten Beschwerden verursacht; ebenso lese ich die Urquijos, selbst wenn sie – manchmal – recht nachlässig ist, mit Leichtigkeit. Aber Meillet...! Warum schafft sich dieser Champion der Unleserlichkeit nicht eine Schreibmaschine an? Selbst Meyer-Lübke hat sich ja schon vor geraumer Zeit dazu entschlossen.
Ich habe nur mit dem Aufgebot aller meiner Kräfte meinen Aufsatz DasBaskische und dieSprachwissenschaft1 fertig gebracht und dabei doch nicht ihm eine vollendete Form geben können. Heute wird er in der Sitzung der Ph.-hist. Klasse der Wiener Akademie vorgelegt und die für mich äusserst wichtige Frage entschieden werden ob er sofort in Druck gelegt werden kann; Trombetti hat mir die Aushängebogen seiner baskologischen Arbeit je nach der Herstellung zukommen lassen (bis jetzt sind |3| es 112 Seiten in Quart); ich habe nach Möglichkeit darauf Rücksicht genommen. Die Frage der Sprachverwandtschaft spielt bei mir eine Hauptrolle; Vendryes steht mir am nächsten.
Sie wissen daß ich einen solchen Aufsatz für die Revue basque geplant hatte und ihn auch schon Urquijo angekündigt, aber er hat sich in mir ganz anders entwickelt als ich anfangs dachte (als eine Art Ergänzung zu den Primitiae). Mehr als ein Bekenntnis meiner allgemeinen sprachwissenschaftlichen Anschauungen. Sie und ebenso Urquijo werden mir wenn Sie das Machwerk vor sich sehen, zugeben daß es nicht gut in den Rahmen der RB. gepaßt hätte.
Ich habe Urquijo längst von der Sachlage unterrichtet und würde ihn jetzt wieder darüber verständigt haben, wenn mich nicht ein bestimmter Umstand davon zurückgehalten hätte. Es |4| ist jetzt die Jahreszeit, in der mir in den letzten verflossenen Jahren die Akademie von Bilbao großmütig das nach mir getaufte Stipendium zukommen ließ. Ich will den Anschein vermeiden, irgendwie daran zu erinnern; habe aber auch den Gedanken wieder aufgegeben, ausdrücklich darauf zu verzichten. – Verzeihen Sie, ich hätte noch manches damit Zusammenhängende zu schreiben; aber meine Augen rebellieren.
Grüßen Sie, mit Glückwunsch, Herrn M. Cohen bestens von mir. – E. Laoust hat mir vor einiger Zeit zwei wertvolle Bände über marokkanische Volkskunde verehrt, in andern Zeiten hätte ich mich zu einer Anzeige aufgeschwungen; der Stoff liegt mir zwar einigermaßen fern, es wäre aber ein opus supererogationis2 gewesen. Jetzt geht dergleichen nichts mehr.
Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
HSchuchardt
2 'Ein mehr als erforderliches Werk'.
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