Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (469-258)
von Hugo Schuchardt
10. 11. 1923
Deutsch
Schlagwörter: Euskaltzaindia - Real Academia de la Lengua Vasca - Académie de la Langue Basque Niemeyer, Hermann Bähr, Gerhard Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Halle Schuchardt, Hugo (1923)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (469-258). Graz, 10. 11. 1923. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6162, abgerufen am 22. 03. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6162.
Graz, 10. Nov. '23
Lieber Freund,
Warum haben Sie mir nicht mitgeteilt daß die einstimmig angenommene „excellente décision“ der Bask. Akademie von der Sie mir Ende Juni schrieben und deren Inaugurator ich dankbar in Ihnen sah, ein klägliches Ende gefunden hat? Ich habe davon nur beiläufig und indirekt erfahren. Vorgestern erhielt ich einen Brief von meinem Verleger M. Niemeyer in Halle, dem auf einen Brief von ihm selbst an die Akademie (vom 17. Okt.), wiederum von dieser der kurze Bescheid (vom 30. Okt.) zu Teil geworden war |2| (in deutscher Sprache, von G. Bähr und Azkue unterzeichnet; er lag im Original vor) daß
„die Akademie leider infolge der hohen Kosten auf eine besondere Bestellung von 100 Ex. verzichten muß, da auch Herr Sch. die Güte hatte den Akademikern, die des Deutschen kundig sind, einige Exemplare zuzusichern, sodaß eine größere Anzahl von Exemplaren unnötig1 wäre“
Ich gestehe Ihnen: als ich dies las, war ich geradezu – baff. Bitte, erwägen Sie doch, die Akademie hat mir nicht, wie es im Alltagsleben so oft geschieht, irgend welche vage Hoffnungen erwecken sondern ohne daß ich darum, sei es auch in indirekter Weise nachgesucht hätte, die Mittel an die Hand geben wollen, |3| um den Druck zu ermöglichen. Was hätte es denn sonst für einen Sinn – ich bediene mich Ihrer Worte – qu’ellese charge de tous les frais de l’impression (Sie haben das zweimal unterstrichen). Ein so weites und weitherziges Anerbieten habe ich dankend abgelehnt aber um so fester die Hand ergriffen die mir die Zahlung für 100 Ex. darbot. Man sagt sonst einfach und kurz: die Akademie subskribiert sich auf 100 Ex. Das ist früher ein sehr häufiger Vorgang gewesen und kommt auch jetzt noch vor. Und nun wird diese Subskription während des Druckes ausgelöscht. Ich kann doch nicht – auch wenn es keine Blasphemie wäre – sagen: die Akademie hat es gegeben, die Akademie hat es genommen, der Name der Akademie sei gelobt! |4| Ja, wenn es sich um mich allein handelte: aber mir zur Seite steht der Verleger. Vertrauensvoll wie ich von der Akademie als bestimmte und unbedingte die Zusage der 100 übernommen habe, ebenso von mir der Verleger. Er hätte das Recht mich als unfreiwillig Wortbrüchigen oder Allzuleichtgläubigen anzusehen. Übrigens ständen auch „Represaillen“ zu seiner Verfügung; er könnte im letzten Augenblick noch das mir versprochene holzfreie Papier durch ein minderwertiges ersetzen oder sonst an der Ausstattung etwas ändern oder – was die Hauptsache wäre – mit Ausnahme eines einzigen alle Freiexemplare verweigern und sogar ihre jetzt etwas umständliche Zusendung. In seinem letzten Brief |5| an mich heißt es: „ ... richte ich an Sie die Bitte von einer Schenkung von mehreren Exemplaren Ihres Büchleins an die Baskische Akademie Abstand zu nehmen. Es könnte sonst so aussehen als ob wir heute noch in der Lage wären, Bücher in größerem Maßstabe zu verschenken.“
Diese Worte beziehen sich auf die oben S. 2 mitgeteilten: „da auch Sch. die Güte hatte“ usw. Diese Auffassung hat mich besonders befremdet, die vom egozentrischen Standpunkt; die 300 Exemplare waren ja doch größtenteils unnötig. Der Spieß ist, wie man sagt, umgekehrt geworden. Ich hatte vorausgesehen, daß bei einer Verteilung von den erworbenen Exemplaren, einige Personen |6| zugleich von mir bedacht werden könnten, und um eine derartige Carambolage zu vermeiden, bat ich mir solche zu bezeichnen.
Non audiatur altera pars!2 Das eben Erwähnte scheidet aus; es kann ja gar nicht als Argument gelten. Das einzige steckt in den beiden Worten: hohe Kosten. Aber zugleich ein fehlerhaftes Rechenexempel. Niemeyers einfacher Brief an mich trug zwei Briefmarken zu je 500,000 M., also das Porto bestand in einer Milliarde. Leiden darunter etwa die spanischen und französischen Korrespondierenden? Ich denke das Büchlein wird nicht mehr kosten als ein in gleich großes und gleich ausge|7|stattetes aus einer nichtdeutschen Druckerei. Vielleicht hat Niemeyer gegen meinen ausdrücklichen Rat, irgend welche Berechnung mit den in Deutschland jetzt üblichen phantastischen Zahlen aufgestellt statt einfach einen Preis in franz. oder spanischer Valuta für das Büchlein festzusetzen. Wir werden sehen!
Was ich nun mit diesem Schreiben das Sie, wenn Sie es für passend halten an Azkue schicken mögen, beabsichtige um Aufklärung zu bitten; denn ich habe den Eindruck bekommen als ob in der allerletzten Zeit, (vielleicht nachdem ich die ersten Bogen an einige Personen geschickt hatte) mir etwas das Mißfallen meiner baskischen Freunde zugezogen haben könnte. Das wäre mir aber besonders schmerz|8|lich; denn der Rest meiner schwachen Kräfte ist für die wenigen Tage, die mir bleiben, der Vasconia gewidmet*)[.] Ich erspare mir ein Treugelöbnis und ein Liebeslied und eine Danksagung[.] Beileibe handelt es sich nicht um das materielle Interesse; ich werde mit meinem Verleger schon eins werden – es ist eine Ehrensache für mich.
Herzlichst
Ihr
HSchuchardt
Zur vorhergehenden Seite
Am 15 Sept. schrieb mir Azkue: Sus Prim. deben de vez la luz cuanto antes. Esta academia hará con mucho gusto un esfuerzo.
Am 20 Sept.: ermächtige er mich von neuem 100 Ex. für die Akademie drucken zu lassen.
*) Die Sache hat mich in ungebührliche Aufregung versetzt (was nutzt mir der ärztliche Rat: hüten Sie sich vor Aufregung?). Ich bin augenblicklich wie gelähmt, fast unfähig mich mit baskischen Dingen zu beschäftigen
1 Rufzeichen am Rand.
2 [„audiatur et altera pars“ = Rechtsgrundsatz, dass auch die andere Seite angehört wird]
Von diesem Korrespondenzstück ist derzeit keine digitale Reproduktion verfügbar.