Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (400-225)
von Hugo Schuchardt
15. 08. 1921
Deutsch
Schlagwörter: Euskara (Organ für die Interessen der "Baskischen Gesellschaft") Sitzungsberichte der königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften Keltische Sprachen Baskisch Germanische Sprachen Kaukasische Sprachen Gavel, Henri Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Trombetti, Alfredo Winkler, Heinrich Uhlenbeck, Christian Cornelius Urquijo Ybarra, Julio de San Sebastian Schuchardt, Hugo (1922) Schuchardt, Hugo (1921)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (400-225). Graz, 15. 08. 1921. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6092, abgerufen am 15. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6092.
Graz, 15. Aug. ’21
Lieber Freund,
Die unerträgliche Hitze ist einer nahezu empfindlichen Kühle gewichen, und so ist es mir endlich möglich Ihnen zu schreiben.
Ich danke Ihnen vielmals für das hübsche mit der Svastika in fünf Varianten geschmückte Heft. Es interessiert mich sehr was Ernault über kelto-baskische Wörter denkt (sein treffliches Glossaire moyen-breton besitze ich seit lange [sic]). Die Herleitung von iratze aus gall ratis habe ich neuerdings in meinem BS (Zur Kenntnis des Baskischen von Sara) abgelehnt (besonders wegen des –r statt rr), und zwar mit Anknüpfung an |2| eine Stelle bei Gavel. Ich halte an der Herkunft von filice fest. E. scheint artz als altiber. anzusehen; wie faßt er das Verhältnis zu gall. artos auf? Arrano ist gewiß mit kelt. eryr usw. verwandt, aber näher mit germ. *aran-o oder *ar-nu- (ahd. arn usw.).
Urki, burki ist mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem Germ. herzuleiten, obwohl ähnliche Formen für „Birke“ sich auch in den kaukasischen Sprachen finden; die Form turki, nur aus Zigoitia in Álava belegt, ist für die Lösung des etymologischen Problems ohne Belang. „Le très-curieux lente-polente“ ist für mich noch ganz besonders „curieux“; denn ich weiß nicht was es bedeutet, noch wo es vorkommt (ich finde es nicht bei Gavel, noch bei Azkue). Es erinnert mich an das tschech. po málu (slowen. po malem) sachte = bask. emeki, das auch in deutsche Mundarten (pomáli u.ä.) eingedrungen ist (in meiner Heimatsredeweise: ein pomadiger Kerl = |3| ein langsamer, phlegmatischer K.)
Ich bedauere daß ich das Heft mit den von den spanischen Professoren im Dezember v.J. gehaltenen Vorträgen erst bekommen habe als ich mein BS schon abgeschickt hatte. Aber aus äußeren Gründen konnte ich nicht länger warten. Vielleicht erlebe ich den Abdruck nicht mehr. Jene Vorträge, wenigstens zwei von ihnen, hätten mir mehrere Anhaltspunkte für Berücksichtigung in meinen einleitenden Darlegungen geboten.
Ich habe seither auch ein neues Heft (das dritte) von Euskera erhalten und beabsichtige Azkue einen Brief zu schreiben, in dem ich mein Interesse an den Vorträgen durch einiges Sachliche bekunde, wenn es auch nichts eigentlich Neues sein mag. Da Trombetti mir gerade die Aushängebogen eines neuen großen Werkes geschickt hat, so möchte ich |4| über die Stelle wo er über die Verwandtschaft des Baskischen spricht, mich von neuem äußern. Trombetti erwähnt Winkler nur mit einem scharfen Wort; es tut mir leid für diesen, schon um seiner traurigen Schicksale willen. Er hat seine guten Verdienste, allerdings bin ich über den wesentlichsten Punkt in seinen Forschungen durchaus abweichender Meinung und habe das in einem kurzen Aufsatz auseinandergesetzt: „Possessivisch und passivisch“, den ich nach Berlin für die Sitzungsberichte vor Kurzem abschickte und der schon gedruckt ist, von dem ich aber in nächster Zeit wohl keine SA zu erwarten habe. Übrigens wird Sie der Inhalt nicht interessieren; es kommt nichts über das Baskische vor. In bezug auf den Passivismus des bask. Verbs sind W. und ich, soviel ich sehe einer Ansicht.
Man schickt mir zu wiederholten |5|Malen, aus Bilbao, San Sebastián, Toulouse, für Winkler bestimmte Drucksachen zu (aux bons soins de M. Sch.). Daß das zeitraubend auch ein wenig kostspielig ist (für mich), das kommt nicht in Betracht; wohl aber mag es für ihn etwas unbehaglich sein – wegen unseres wissenschaftlichen Verhältnisses zueinander. Wir stehen nicht im eigentlichen Briefwechsel; er dankt mir immer in sehr freundlicher Weise schriftlich und hat mir meine sehr eingehenden Zurückweisungen formell nicht übelgenommen, wie er das bei Uhlenbeck getan hat.
Ich gebe hier, wie das auch schon, ich glaube gegen Urquijo geschehen ist, die Adresse Winklers
Breslau XVI Hansastraße 18#.
Etwas Gedrucktes über das Baskische von einem Freuenberg (der Name ist mir etwas unwahrscheinlich, etwa Freudenberg? Frauenberg?) habe ich bis jetzt nicht ermitteln können.
Mit herzl. Gruß
Ihr getreuer
H. Schuchardt
Von diesem Korrespondenzstück ist derzeit keine digitale Reproduktion verfügbar.