Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (381-217)
von Hugo Schuchardt
11. 12. 1920
Deutsch
Schlagwörter: Revue internationale des études basques Englisch Arabisch Vinson, Julien Eys, Willem Jan van Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Kairo Paris Sare Schuchardt, Hugo (1908) Schuchardt, Hugo (1907)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (381-217). Graz, 11. 12. 1920. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6060, abgerufen am 15. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6060.
Graz, 11.12.’20
Lieber Freund,
Gestern habe ich wiederum 3 Bogen von Gabels1 Arbeit erhalten; der Druck geht doch rascher vonstatten als ich annahm. Ich muß mich einer großen Vergeßlichkeit anklagen – das Greisenalter scheint sich aus lauter Vergeßlichkeiten zusammenzusetzen; ich habe Sie auf meiner letzten Karte wegen der Behandlung des „accent tonique“ bei G. befragt. Nun waren mir allerdings S. 108ff zu Gesicht gekommen; aber da ich die Seiten nicht alle aufgeschnitten hatte, so hatte ich sie mir offenbar „pour la bonne bouche“ aufbewahrt. Jedenfalls gehen mir die Texte mit soulischer Betonung ab. – Mein Urteil über G. bleibt das gleiche nach Durchsicht der letzten Bogen: er hat Überfluß an feinen, richtigen Bemerkungen, er ist immer verständig, man kann ihm kaum Widersinn oder falsche Folgerungen vorwerfen; aber die Form, in der er das Seinige bringt, |2| macht einen ungeduldig, alles zerkrümelt unter seinen Fingern. Und diese, „peut être“! Er scheint sich jenes baskische Sprichwort – sein Wortlaut ist mir nicht gegenwärtig – zur Vorschrift genommen haben, das mir Vinson einmal zurief: Wer mit „vielleicht“ redete, täuschte sich nicht. Die Antwort, die ich ihm gab (Zeitsch. f. rom. Ph. 1908 359) dürfte auch für G. passen. Über den Kampf des Zäpfchen-r (r grasseyé) mit dem Zungenspitzen-r besteht eine ganze Literatur; man hat z.B. nachgewiesen daß es in Deutschland, hauptsächlich dank der Kasernenerziehung zugunsten des ersteren ausgefallen ist. Aber dabei kommt in Betracht, daß jenes wirklich leichter zu sprechen ist als das andere. Ich bin von Haus aus im Besitze eines stark gerollten r – meine Gespielen auf der Gasse in meiner Heimatstadt machten sich darüber lustig – (vielleicht ein Erbstück meines waadtländischen Großvaters), aber wenn ich mich matt und schlaff fühle, bringe ich |3| die Energie zu einem starken Zungen-r nicht auf; ich neige dann zur Vokalisierung wie sie besonders im Englischen hervortritt, ja vielleicht verirre ich mich sogar zu einem Zäpfchen-r. Viele Individuen allerorten können überhaupt die Zungenspitze nicht zum Vibrieren bringen. Z.B. ein junger Araber mit dem ich in Kairoarabische Sprachübungen trieb; ich war schon nahe daran sein Zäpfchen-r als Eigentümlichkeit der dortigen Aussprache zu betrachten, als ihm bei irgend einer Gelegenheit das Geheimnis seines „Sprachfehlers“ entfuhr. Willkürliche und bewußte Nachahmung Pariser Aussprache wird öfter bezeugt, so vom Jesuiten Coloma in seinem Sittenroman aus der Alfonsistischen Zeit: Pequeñeces.2 Im einzelnen ließe sich natürlich vieles und manches berichtigen. So 2481) das über pezoin Gesagte. Ich glaube schon 1888 (Zeitschrf. 263) mit meiner Herleitung von defensio das Richtige getroffen zu haben. Wegen l für p s. RB. letagin. Übrigens warum lesuin aus van Eys? Azkue gibt ja hochnav. lezoi, lab. lezoin Und wegen des Anlauts |4| waren doch bemerkenswert bezoi, bezoinaskabezoitu… S. 217 für larru: l’origine celtique nous parait parfaitement admissible…? Das glaube ich nicht, wegen des Vokals und auch wegen der Nebenform narru.
Ich habe meine Texte von Sare herausgenommen
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Unterbrechung infolge eines Fieberanfalls
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13.12.
und bin überhaupt an der Tunlichkeit ihrer Veröffentlichung zweifelhaft geworden: wenigstens in der RB. Es sollte mich doch sehr wundern wenn unter den Einheimischen nicht schon längst Stimmen laut geworden wären die sich über die deutschen Beiträge mißliebig ausgesprochen hätten. Ich aber kann das Meinige nicht anders als in deutscher Sprache geben… Die deutsche Übersetzung der baskischen Dialoge würde allerdings in der RB geradezu lächerlich sein. Wiederum beziehen sich aber die Anmerkungen zum Teil auf das Verhältnis des deutschen zum baskischen Sprachgebrauch. Kurz, wenn ich alles gründlich sichte, so bliebe für die Leser der RB |5| nur eine oder die andere lehrreiche oder interessante Anmerkung.
Mit der Parabel sind andere Schwierigkeiten verbunden, ein richtiges Verhältnis zwischen Theorie und Praxis herzustellen. Doch gehe ich darauf nicht ein weil Sie dabei in keiner Weise interessiert sind, vor Allem aber weil ich mich augenblicklich zu schwach dazu fühle. Ich wollte dem Brief nur irgend einen Schluß geben.
Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
H. Schuchardt
2 Luis Coloma: Pequeñeces . Bilbao: Administración de El Mensajero del Corazón de Jesús, 1891.
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