Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (354-192)
von Hugo Schuchardt
20. 08. 1919
Deutsch
Schlagwörter: Baskologie Revista Internacional de los Estudios Vascos Baskischsprachige Literatur Atlas linguistique de la France Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften (Berlin) Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Urquijo Ybarra, Julio de Saroïhandy, Jean-Joseph Bonaparte, Louis Lucien Urtel, Hermann Baskenland Schuchardt, Hugo (1915) Schuchardt, Hugo (1919) Schuchardt, Hugo (1920)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (354-192). Graz, 20. 08. 1919. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6032, abgerufen am 24. 03. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6032.
Graz 20 Aug. ’19
Lieber Freund,
Zu einem regelmäßigen Briefschreiben läßt mich mein Gesundheitszustand nicht kommen; ich muß die Feste feiern wie sie fallen. Und ich werde mich kurz fassen müssen. Für heute folgendes.
Von meinem ligurisch-iberischen Aufsatz habe ich allem Anschein nur ein allereinziges Exemplar; sollte ich noch ein zweites finden, so schicke ich es Ihnen[.]
Ich habe nun denk’ ich, – mit Ausnahme der bis jetzt erschienenen Hefte von Azkues Wörterbuch. II (aber Urquijo weiß darum) – alles was |2|Baskologisches in der letzten Zeit im Baskenland das Licht erblickt hat, beisammen. Saroïhandyhat mich in Ver- und Bewunderung versetzt. Ich habe mich aufgerafft und am 11. d. M. einen langen Aufsatz u. d. Titel: „Baskische Konjugazion“ an U. geschickt. Das Unangenehme ist daß er sich mit S.s drittem kreuzt, sodaß ein formaler Abschluß unserer Erörterungen nicht zu erreichen ist. Eine große Rolle spielt bei alledem die Frage wie wird sich der Druck der Revista fortsetzen? Ich hatte zunächst den Gedanken gehabt, meine Arbeit so abzufassen daß er ins Französische übersetzt werden könnte. Allein ich habe darauf verzichten müssen, ich fühlte mich zu abgespannt um |3| für die sprachliche Form in dieser Richtung zu sorgen. Ich habe einige sprachphilosophischen [sic] Punkte berührt, für die es an einer einheitlichen Terminologie noch fehlt.
Etwas was für unsere Studien von größter Wichtigkeit ist, die Orthographie macht mir Sorge; wir brauchen eine Einheitsschreibung und Saroïhandy will nichts davon wissen. Wie sehr ich selbst auch Individualist bin, hier möchte ich dem Individualismus kein Zugeständnis machen. Zunächst dürfen wir den [sic] Hauptgrundsatz aller wissenschaftlicher Transkriptionen nicht untreu werden: ein Zeichen nur ein Laut – ein Laut nur ein |4| Zeichen. Session für zezion ist durchaus unstatthaft; die Deutschen (wenigstens die Norddeutschen) würden das umschreiben ssession oder ßeßion. Wir müssen ferner uns möglichst an die Überlieferung innerhalb der baskischen Litteratur halten, und wollen wir uns nach dem Romanischen richten so jedenfalls eher nach dem Spanischen dessen Lautsystem dem des Baskischen weit näher steht als das französische. Aber wir dürfen uns von Bonaparte und Azkue nicht weit entfernen. Mein Gedanke ist der: es sollte ein jeder, der über baskische Sprache wissenschaftlich schreibt, sein eigenes System auseinandersetzen und es begründen. Ich habe schon H. Urtel ermuntert das zu tun; auch er befriedigt mich, mit seiner An|5|lehnung an die Orthographie des Atlas linguistique, durchaus nicht. Ich teile Ihnen hier aus dem SB der preuß. Akademie der Wiss. mit, was sich auf Urtels baskische Arbeiten bezieht (1919 (23. Januar), 78)
Eine reiche Ausbeute an Texten mannigfacher Art brachten die Bemühungen des Hrn. Prof. Dr. Urtel um das Baskische zusammen. Sie sind drei französisch-baskischen Mundarten, dem Labourdischen, Niedernavarresischen und Soulischen entnommen. Mit der grammatischen und sprachgeschichtlichen Verwertung des Materials hat Hr. Urtel bereits begonnen; eine baskisch-labourdische Grammatik des Dialektes von Arcangues, die vor allem auch die Syntax zum ersten Male ausführlich behandeln soll, ist in Vorbereitung.
|6| Während ich dieses schreibe bringt mir die Post die SA meines kleinen Artikels über die bask. Namen für Schaf und Lamm. Ich schicke Ihnen morgen einen.
>Mit herzl. Gruß
Ihr getreuer
H. Schuchardt
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