Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (130-04130)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Straßburg

12. 11. 1905

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Zürich Paris, Gaston Diez, Friedrich Meyer, Paul Thomas, Antoine Thomas, Antoine (1902) Schuchardt, Hugo (1902) Swiggers, Pierre (1991) Blank, Andreas (2003) Ulrich, Jakob (1905)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (130-04130). Straßburg, 12. 11. 1905. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5947, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5947.


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[Poststempel STRASSBURG (ELS.) 12-11-05]

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Lieber Freund.

Da es heute nicht regnet und ich diese Karte selbst in den (mit unpraktischen Regenschutzblechen versehenen) Briefkasten stecken werde, wird sie hoffentlich ungewässert bei Ihnen anlangen. Den Zusatz zum Artikel Rom. gorr- habe ich erhalten und mit ihm nach Ihrer Angabe verfahren.1 Zur Stelle in G. Paris‘ Brief an Diez, betr. Meyers Herkunft, gehört M’s spaßhafte Etymologie seines Namens in der Romania II 435 Anmkg. ( mediarius), die er aber selbst ernst genommen zu haben scheint.2Thomas‘ starke Betonung der „Lautregel“ beim Etymologisieren war nötig, damit er seine Etymologien veröffentlichen konnte, die es, in traditioneller Weise, mit dem Nachweis der Bedeutungsentwicklung noch leicht nehmen. Aber er verkannte die Wichtigkeit dieser von Ihnen betonten Seite des Etymologisierens nicht, und wenn er bei tropare : trouver stehen bleibt, so vermißt er bei turbare : trouver den Erweis der Möglichkeit der Verbreitung des in gewissem Sinne technischen Ausdruckes im allgemeinen Sinne („finden“) für den bei den Nichtfischern ein Wort zu keiner Zeit gefehlt haben kann und das durch turbare nicht leicht beseitigt werden konnte: so wenigstens verstand ich seinen Einwand. Ich zweifle nicht, daß er sich bei seinen nächsten Etymologien nicht mehr in Widerspruch mit Ihnen setzen wird, wenn er nicht mehr älteres Material dem Publikum zu empfehlen hat, wie es seine beiden Sammelbände3 darboten. Sie haben das Verdienst dem einseitigen Etymologisieren nach der Lautregel Einhalt getan zu haben, – leider noch nicht bei Ulrich, dessen Etymologien ich in der Ztschr. bringen zu müssen4 ich immer nur bedauern konnte.

Mit herzl. Gruß

Ihr

GGröber.

Ich erhielt jetzt die Anzeige Ihres5 7bändigen „Nouveau Larousse“. Mein 4spaltiger Larousse in und in 17 Bänden ist „Le Grand Dictionnaire Larousse“. –


1 Vgl. Lfd.Nr. 129-04129.

2 „Je suis assez porté à croire que dans certains cas, le nom propre Meyer, qu’il conviendrait alors de prononcer Meyé (comme au reste on fait dans le midi), vient de mediarius (plus exactement *medierius), et correspond au prov. megier, colon partiaire)."

3 Antoine Thomas, Mélanges d’étymologie française, Paris 1902; dazu Schuchardt, „Etymologische Probleme und Prinzipien, zu A. Thomas, Romania XXXI,1ff. und Mélanges d’étymologie française, 1902“, ZrP XXVI, 385f.; vgl. Lfd.Nr.  126-04125. Vgl. die Einzelheiten bei Swiggers, cit. Lfd.Nr. 04321. Am 5.5.1905 hatte Thomas Schuchardt geschrieben, „croyez-bien que, malgré l’entraînement des polémiques momentanées, je suis un de vos admirateurs les plus fervents“ (zit. Swiggers). Vgl. weiterhin Andreas Blank †, „Problemgeschichte der romanistischen historischen Semantik“, Romanische Sprachgeschichte – Histoire linguistique de la Romania. Ein internationales Handbuch … hrsg. von Gerhard Ernst [u.a.], Berlin-New York 2003, I, 313-314: „Rückblickend kann man nach knapp hundert Jahren sagen, daß in der Kontroverse Schuchardt-Thomas der erste mit der Art seiner Beweisführung mehr überzeugt hat als letzterer. Die neuere Forschung hat aber Thomas Recht gegeben und v.a. anhand von spätlateinischen und mittellateinischen Beispielen wahrscheinlich gemacht, dass von einem *tropare ,allegorisch auslegen‘ › ,dichten‘ › ,finden‘ auszugehen ist“.

4 Z.B. J akob Ulrich, „Fr. blef, blé, prov. blat, it. biavo, biadoZrP XXIX, 1905, 227-228 u.ö. Ulrich (1856-1906) war Romanistikprofessor an der Universität Zürich.

5 Möglicherweise hatten Gröber und Schuchardt sich bei dessen Straßburg-Besuch über die verschiedenen Ausgaben „des“ Larousse unterhalten.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04130)