Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (119-04119)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Straßburg

17. 06. 1901

language Deutsch

Schlagwörter: Karras-Verlag Ritter, Eugène Paris, Gaston Schuchardt, Hugo (1901) Gröber, Gustav (1888) Ascoli, Graziadio Isaia (1901) Brandin, Louis (1899) Gröber, Gustav (1900)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (119-04119). Straßburg, 17. 06. 1901. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5936, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5936.


|1|

[Eingangsstempel: STRASSBURG (ELS.) 17-6-1901]

|2|

Lieber Freund.

Karras theilt mit, daß die Correctur an Sie heute Abend an die von Ihnen zuletzt angegebene Adresse gesandt werden würde. So wird Ihnen die Erledigung ohne Aufschub wohl noch möglich sein. Finden die Anmerkungen zu calumma u. bœuf nicht im Artikel1 Platz, so nehmen wir sie ans Ende des Heftes. Hoffentlich geht alles glatt, ohne Verzögerung. Wenn Sie meinen, daß die Ermittelungen in betreff des mit technischen Bezeichnungen verbundenen Sinnes oder der mit ihnen gemeinten Gegenstände mir leicht erschienen, so muß ich dem widersprechen. Ich habe hinreichend und lange schon das Gegentheil erfahren, wenn ich bei den Vulgärlat. Substraten mir zum Beispiel aus Nemmich2 Rath zu holen suchte, oder bei Prof. Ritter in Genf3 Erkundigungen einzog, u.s.w., und gab der Empfindung, daß die Lexika hier Abhilfe dadurch schaffen müßten, daß sie zu den Namen das Bild des Dinges mit allen wesentlichen Details setzten, statt es mit einem Synonymum zu umschreiben oder es in einer Wortdefinition abzuthun, auch schon 1885 im Grundriß Ausdruck.4 Jetzt haben wir ja romanische Bilderlexika; aber sie sind für etymologische Zwecke noch mangelhaft. Von meinem Artikel im Ascolibuch5 kann ich Ihnen leider keinen Abdruck senden. Separatabzüge hat man mir nicht hergestellt, obwohl mich das Exemplar des Huldigungsbandes für Ascoli 22 Mk kostete! GParis sagt mir darin einige Unfreundlichkeiten, unerwarteter Weise;6 wahrscheinlich haben ihn einige Verwahrungen in der Rom. Ztschr. gegen Romaniaartikel verdrossen (zb. meine Verwahrung gegen Brandin).7 Und das thut er, nachdem er sich bedankt hat, daß ich ihn brieflich auf sein nur in der Phantasie bestehendes altfrz. avuegle (st. avogle, avugle) aufmerksam gemacht habe, und bei einer Gelegenheit, wäre er Ihrer Forderung, sich eisern Kenntnis von Art u. Geschichte des sprachllich Bezeichneten vor der Bildung einer Meinung in etymologischen Dingen zu verschaffen (Ficatum im Ascolibuch) entzieht.

Mit herzlichem Gruß in Eile Ihr
GGröber


1 ZrP XXV, 1901, 490 bzw. 498.

2 Pauli Aresii sacrorum phrenoschematum liber de ss. papis, episcopis, religionum fundatoribus, aliisque ss. confessoribus: ... opus ... typis editum / nunc demum a Joanne Cajetano, Frankfurt a.M. 1702.

3 Eugène Ritter (1836-1928), ab 1874 Prof. für franz. Sprachgeschichte an der Académie de Genève.

4 Grundriss I, 1888, 216: „Die eine Vorstellung, die das Wort als Sachbezeichnung in lebender Sprache ausspricht, und die den Umfang seines bildlichen Gebrauchs bestimmt, wurde in den Wörterbüchern lange Zeit und wird noch heute vielfach von Nationalen durch einen nebengeordneten, sinnverwandten Ausdruck, in Polyglotten durch Gleiches oder Ähnliches bezeichnende Wörter fremder Sprachen verdeutlicht […]. Die Verdeutlichung der mit dem Wort verbundenen Grundanschauung wird m ersten Falle natürlich nicht erreicht, da den Sprachen gleichwertige Sachbezeichungen fehlen, im letzteren nur in dem, immerhin seltenen Falle, dass die fremden Sprachen deckende Wörter zur Verfügung stellen […]. Das eine von den beiden, zur Angabe der Sachbezeichnung anwendbare Verfahren, die bildliche Vorführung bei den Benennungen sehbarer Dinge – die einzige darstellbare Art der Belehrung über den Wortsinn durch Anschauung – ist bis jetzt noch nicht, das andere, die Definition in den Wörterbüchern romanischer Sprachen schon länger in Gebrauch genommen“.

5 Lfd.Nr. 109-04108.

6 Gaston Paris, „Ficatum en roman“, Miscellanea Ascoli(Lfd.Nr. 04108), 41-64. Die „unfreundlichsten“ Hinweise auf Gröber finden sich in den Anmerkungen S. 55.

7 Louis Brandin, „Le manuscrit de Hanovre de la Destruction de Rome et de Fierabras“, Romania, 28, 1899, 489-507; dazu Gröber, ZrP XXIV, 1900, 447-449: „Vielleicht benutzt Herr B. seinen Aufenthalt in Deutschland um sich eine bessere Kenntnis des Deutschen und soviel Verantwortlichkeitsgefühl anzueignen, um durch so dreiste Nachlässigkeit, wie er hier bekundet, nicht ferner die Romania blosszustellen“ (449).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04119)