Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (094-04093)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Straßburg

15. 04. 1898

language Deutsch

Schlagwörter: Etymologie Dialektologie Literaturblatt für germanische und romanische Philologie Zeitschrift für romanische Philologielanguage Französisch (Gabun)language Wallonisch Schultz-Gora, Oskar Meyer, Paul Paris, Gaston (Hrsg.) (1865) Foerster, Wendelin (1876) Schultz-Gora, Oskar (1898) Schuchardt, Hugo (1898)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (094-04093). Straßburg, 15. 04. 1898. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5911, abgerufen am 02. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5911.


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[Poststempel: STRASSBURG (ELS.) 15-4-98]
15.4.98

Lieber Freund.

Sie müssen mir verzeihen, wenn ich aus Mangel an Zeit, – Sie wissen, worauf ich meine freien Stunden zu verwenden habe – auf eine weitre Begründung zu Ihren Rom. Etym. nicht eingehen kann.1 Zu dem über saive : sage, chaive : cage, worin Sie mundartliche Entwicklung sehen, Geäußerten füge ich noch hinzu, daß wenn saive speciell wallon. ist, es befremdet, daß es schon im 11. Jh. in den normannischen Texten (Alexius, Roland; ebenso Poème devot)2 und neben sage (vgl. Roland) auftritt – sollte die wallon. Form schon um diese Zeit soweit nach Westen gedrungen sein? Für das neuwallon. chaive bieten alte Texte caive oder cavie zb. die in das benachbarte lothringische Gebiet gemeinhin verlegten Dialoge Gregoire le pape (p. 127),3 die gleichwohl richtig lothringisch ploge : pluvia (zb. mehrmals S. 128-129) schreiben u. c(a) zu ch (wie wallon.) verändern. Woher stammt hier dieses cavie? Weiter wird im Wallon. nachgewiesen roge : rubeus : ist das aus der Schriftsprache aufgenommen? Kurz ich würde gern die sehr plausible Annahme mundartlicher Differenzierung, die ja auch beim südfrz. satge u. savi in Frage kommt, weiter begründet sehen.

Für die Anregung bez. der Ztsch. bin ich sehr dankbar. Es ist zwar nicht leicht eine stehende Rubrik in der Ztsch. aus den Notizen zu machen, weil manchmal vielleicht nicht Platz ist am Bogenschluß, – aber wir können’s ja versuchen. Wir hatten früher Notizen auf den Umschlägen; – sie wurden abgeschafft, als Neumanns Litblatt. zu erscheinen begann4 das bei seinem monatlichen Erscheinen der Ztsch. immer zuvorkam; jetzt ist die Rubrik in dem dieser Tage ausgegebenen Heft, gewissermaßen wieder aufgethan, da ich dort eine längere Verwahrung von O. Schultz-Gora gegen P. Meyer mittheilen mußte.5 Also schicken Sie nur, ich werde drucken lassen.6

Mit herzl. Gruß Ihr
GGröber.


1 Vgl. Lfd.Nr. 092-04091 u. 093-04092.

2 Vie de Saint Alexis; Chanson de Roland; Guiot de Provins; Fragment d’un petit poème dévot (du commencement du XIIe siècle), éd. Gaston Paris, Jb. f. rom. u. engl. Lit. 6, 1865, 362-369.

3 Hrsg von Wendelin Foerster, Halle-Paris 1876 (Gröbers Seitenangaben stimmen mit dieser Ausgabe überein).

4 Literaturblatt für germanische und romanische Philologie, hrsg. von Otto Behagel und Fritz Neumann, 1880-1920.

5 Oskar Schultz-Gora, „Zu Romania XXVI, 584 Anm. 1“, ZrP XXII, 1898, 301-304 (Schultz-Gora repliziert auf die Gegenkritik Cesare de Lollis an seiner kritischen Besprechung von dessen Sordel-Ausg. im XXI. Bd. der ZrP).

6 Vermutlich Schuchardt, „Zur Wortgeschichte“, ZrP XXII, 1898, 393-394 (Auseinandersetzung mit Wilhelm Meyer-Lübke, ZrP XXII, 1898, insbes. 2-3).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04093)