Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (055-04053)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Ruprechtsau

21. 02. 1886

language Deutsch

Schlagwörter: Druckfahnen Bitte um Korrektur Prinzipien der Sprachgeschichte (Paul) Lautgesetze Max Niemeyer Verlag Germanistik Romanische Philologie Universität Heidelberg Lautwandel Paul, Hermann Hübschmann, Heinrich Gröber, Gustav (Hrsg.) (1888) Paul, Hermann (1886)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (055-04053). Ruprechtsau, 21. 02. 1886. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5896, abgerufen am 09. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5896.


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Lieber Freund.

Ich danke Ihnen aufrichtig für die Durchsicht des Correcturbogens und für die Bemerkungen, die ich alle, wie Sie aus den Blaustiftzeichen und den beigeschriebenen Aendrungen auf dem wiederzurückfolgenden Bogen (ich brauche ihn nicht mehr) entnehmen mögen, benutzt habe. Verbesserungen im Ausdruck hatte ich mir in meinemCorrectur[ab]zug ebenfalls bereits angemerkt. Sie erhielten den Abzug nach einer ersten flüchtigen Durchsicht. – Zu Gedrängtheit des Ausdrucks zwingt mich leider der eng bemessene Raum, den ich, nachdem ich 5 Bogen mehr auf die „Geschichte der rom. Phil.“ verwendet habe, nicht weiter überschreiten soll. Darf ich Sie auch mit dem Reste des Artikels belästigen? Sie würden mir mit Ihrem dankeswürdigen Wirken einen weitren Dienst leisten, der dem Buche zu Gute kommen würde. – Daß die Auseinandersetzung über die Laute und ihre Eigenschaften so verhältnismäßig ausführlich geworden ist, wird, denke ich, auch Ihnen, im Zusammenhang mit der späteren Erörterung über genetische Lautlehre,1 nicht unberechtigt erscheinen. Was ich geb, ist Jahrelang erwogen u. geprüft. Ich hätte gerade hier manches Neue hinzuzufügen gewußt, z. B. über die Verbindungen von Stimmbändern mit den übrigen Schwingungslauten; aber die Stelle erlaubte es nicht. – Paul vertröstet auf die neue Auflage der „Principien“.2 Bis dahin, das ist auch hier bei uns der Eindruck – auch bei Hübschmann,3 der sich fest an Bartsch4 hält, bei ten Brink,5 der weiter blickt – hat P. eine schlimme Blöße sich gegeben. Ich würde nicht so angreifen, wenn ich den besten Trumpf nicht in meiner Hand wüßte. Wie ich den Punkt „Lautgesetz“ fasse,6 würde ich Ihnen gerne mittheilen, wenn ich den Correcturbogen schon hier hätte: der zweite Bogen des Abschnitts über „Rom. Sprachwissenschaft“ liegt mir heute vor; aber die genetische Lautlehre ist darauf noch nicht. Ich kann Ihnen also nicht knapp meine Formulierung des Punktes mittheilen, der doch mit dem übrigen, was ich vom Lautwandel sage, die engste Verbindung hat und mit dem Uebrigen geprüft sein will. Bezüglich meiner Classificationen u. aller sonstigen Eintheilungen verstehen wir uns wohl so, daß alle Eintheilungen nur didactischen Werth beanspruchen, und daß der logischen Gliederung, durch die eine klare Uebersicht über ein verschlungenes Ganze gewonnen werden soll ( Descartes), keine reale Scheidung der Dinge entsprechen kann.

Herzlich grüßend Ihr ergebenster
Gb.

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1 Grundriss  I, 1888, 238 u. 242.

2 Die 2. Aufl. der Principien der Sprachgeschichte erschien 1886 bei Niemeyer in Halle.

3 Johann Heinrich Hübschmann (1848-1908), Orientalist, Linguist, seit 1877 Prof. in Straßburg.

4 Karl Bartsch (1832-1888), seit 1871 Prof. der Germanistik und Romanistik in Heidelberg.

5 Bernhard ten Brink (1841-1892), Anglist und Romanist, seit 1872 Prof. in Straßburg.

6 Grundriss I, 1888, 242f.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04053)