Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (075-04074)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Straßburg

24. 04. 1890

language Deutsch

Schlagwörter: Balkankriege Druckfahnen Karras-Verlag Max Niemeyer Verlaglanguage Spanisch (Honduras)language Mittellatein Karras, Ehrhardt Marot, Clément Meyer-Lübke, Wilhelm Thomas, Antoine Schuchardt, Hugo (1890) Schuchardt, Hugo (1891) Thomas, Antoine (1888)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (075-04074). Straßburg, 24. 04. 1890. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5874, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5874.


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[Poststempel: STRASSBURG (ELS.) 24-4-90]

Lieber Freund.

Das Ms. der Roman. Magyar. Abhdlg.1 befindet sich in der Druckerei; sie erscheint als 3. Beitrag in Heft XV ½, an dem bereits gesetzt wird, und das, wie ich Ihnen mittheilte vor XV ¾ – ich rechne im September oder October – ausgegeben werden wird. Die Correcturabzüge werden vermuthlich in 14 Tagen bis 3 Wochen in Ihren Händen sein. Umgehend schicke ich heute den eben empfangenen Nachtrag zu μιμάριον2 in die Druckerei; ich hoffe, daß er noch eingestellt werden kann, obwohl von dem Hefte XIV 1/2, das Ihren wortgeschichtlichen bringt, bereits 17 Bogen gesetzt sein sollen. (Sandte Ihnen Karras3 schon die Korrektur?). Aus diesem Grunde muß ich Ihre Erörterungen über ainceis etc. für XV ½ oder XIV ¾ zurücklegen;4 vielleicht findet sich dazu noch etwas weitres in Ihrer Mappe, was dazu paßt; zusammen, sodaß der Artikel nicht allein bleibt, – die Erklärung, wie sordidius die ihm zugeschriebene Wirkung hervorbrachte, habe ich ebenfalls immer vermißt.5 Ihre Darlegungen sind sehr fein und mit der Brücke einerseits sordeis: genceis, anderseits fortior : fortidius ist das Ziel wohl erreicht. Nur zu einem untergeordneten Punkte blieb mir eine Frage offen: Ist antius der Positiv für antianus wegen anterius wirklich zu finden? Antianus = ital. anzi – ano, frz. anci-en (= Christ–  i –anus ital. Cristi – ano afrz. chresti –ien Eulalia) macht neben avanz –are frz. avan c –ier = ab -antiare und neben frz. proch –ain nicht den Eindruck eines alten Wortes. In welche Zeit würde demnach der Positiv antius zu setzen sein? Dasselbe gälte von *propius. Alt- u. neufrz. terr-i-en (3Silber noch Marot) belegt seit dem 12. Jhrh., hat in terra ebenfalls einen Vorgänger ohne i (terra), genügt also nicht: ante + antius, prope + ianus (wie Christ –ianus von Christus)? Mit anderen Worten sind anc ïen und prochain nicht Romanismen? Dieses aus proche (=propius Comparativ), jenes aus mlat. antianus? Vgl. Alsacien zu Alsatia oder fisic ien = physicien u.a. Und ist dies richtig, läßt sich dann nicht für puis (post) von *postium zu Gunsten etwa vom Comparativ postius absehen? Zu altfz. ans = ains fällt mir auf, daß es nur ostfranzös. zu sein scheint, also ein main gier neben mangier beurtheilt werden könnte (d.h. umgekehrt). –

Wie ich mich überzeugte, decken sich Ihre Einwendungen gegen W. Meyer mit den von Thomas (Romania 1888)6 nicht; es würde also an der Fassung Ihres Artikels nichts zu ändern sein.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr

GGröber.

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1 Vgl. Lfd.Nr. 072-04071.

2 Schuchardt, „Wortgeschichtliches“, ZrP XIV, 1890, 178: „Ich sehe erst jetzt, daß Gaster Zeitschrift III 473 rum. momi ,reizen‘, ,locken‘, ,verführen‘ zu griech. Μωμεύειν, ,tadeln‘, ,höhnen‘, ,verspotten‘ stellt; der Bedeutungsübergang würde dem oben für das span. momo entsprechen“.

3 Ehrhardt Karras, Verlagsdruckerei in Halle, die auch für Niemeyer tätig wurde; vgl. Bibl.Nr. 05306-05320.

4 Schuchardt, „Prov. altfranz. anceis u.s.w.“, ZrP XV, 1891, 237-240 (aus Anlaß von Wilhelm Meyer[-Lübke], ZrP XI, 250).

5 Hier S. 238.

6 Antoine Thomas, „Anceis“, Romania 17, 1888, 95-100.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04074)