Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (029-04028)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Breslau

30. 10. 1878

language Deutsch

Schlagwörter: Gebr. Henninger Grammatikographie Sammlungsauftrag Publikationsvorhabenlanguage Rumänisch Gaster, Moses Jarnik, Johann Urban Flittner, Julius Förster, Wendelin

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (029-04028). Breslau, 30. 10. 1878. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5843, abgerufen am 09. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5843.


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Breslau, 30. Octbr. 1878.

Verehrtester Herr College.

In Bezug auf die Rumänische Grammatik innerhalb der Henningerschen Grammatikensammlung steht es so.1 Zuerst faßte ich dafür Gaster ins Auge, und zwar schon zJAu der Zeit, als überhaupt der Gedanke der Bearbeitung rom. Grammatiken festere Gestalt gewonnen: schon damals promovirte Gaster in Leipzig mit seiner in der Zeitschrift jetzt gedruckten Arbeit (am 16. Juli 1877),2 die über ein Jahr früher begonnen und vielfach von mir mit ihm durchgesprochen war. Wenig später theilte er mir mit, daß ihm Jarník die Absicht mitgetheilt habe eine rumänische Grammatik abzufassen, woraufhin Gaster, obgleich er viel Material dafür bereits zur Verfügung hatte, wie ich bezeugen kann, die Entschließung an dem Henningerschen Unternehmen sich s. Z. zu betheiligen, für solange suspendirte, als sich die Ausführung des Jarníkschen Gedankens als gesichert erwiese. So kam es dann auch, daß nach Gasters Rücktritt, Jarník für das Rumänische bei Feststellung der Mitarbeiter für Henninger vorgeschlagen wurde;3 denn da der Plan Jarníks aus seiner eignen Initiative hervorgegangen, nicht durch einen Buchhändlerantrag veranlaßt schien – wenigstens war hiervon hier nichts bekannt, so war die Meinung, daß mit einem von Henninger an Jarník gerichteten Antrage demselben sogar ein Dienst geleistet werden könnte, sofern sich für seine als noch nicht angebracht angesehene Arbeit ein Verleger darbot. Unter solcher Voraussetzung wurde dann gleichzeitig mit der an Sie gerichteten Anfrage bez. des Ital. eine Aufforderung zur Theilnahme an der Gram. Sammlung an Jarník bez. des Rumän. geschickt, (im August d. J.), die aber bis heute unbeantwortet geblieben ist: daß Sie mit Jarník zusammen die Rum. Grammatik ausführen wollten, davon habe ich auch bei wiederholter Durchsicht in Ihrem seit August an mich gerichteten Briefe nichts |2| gefunden, Ihr letzter Brief bringt mir die erste Nachricht hiervon.

Nun ist es aber, wie ich glaube, durchaus möglich, die Gebr. Henninger zu einem Ausschluß des Rum. aus der Grammatikensammlung zu bestimmen, denn sie wissen sehr wohl, daß dieser Theil derselben am wenigsten lohnenden Absatz haben wird; wenn Sie daher nicht die von Gebr. Henninger nun Flittner drohende Concurrenz benutzen wollen um sich, wie Sie wünschen, von Flittner-Foerster wieder freizumachen – (in welchem Falle Gaster als wieder in das Henningersche Unternehmen eingetreten betrachtet werden dürfte) – so würde ich Gebr. Henninger zureden, daß sie auf Herausgabe der Rum. Grammatik verzichteten. Wollen Sie aber den Umstand für Ihren Rücktritt benutzen, daß Gaster dem Henningerschen Unternehmen von Anfang an zur Verfügung stand, so ist noch zweierlei möglich: entweder Sie veranlassen durch Ihren Rücktritt zugleich Jarník seine Rum. Gram. aufzugeben, dann würde Gaster thatsächlich bei Henninger eintreten; oder Jarník entschließt sich allein oder im Verein mit Gaster , wozu dieser sich vielleicht, da er mit Jarník wohl bekannt ist, bereit erklären wird, die Gram. für Flittner auszuführen, auch dann bleibt aus der Henningerschen Sammlung die rum[änische] Grammatik hinweg. Daß ich erstre vollständig wünschte, verhehle ich Ihnen nicht, aber viel lieber ist es mir Ihnen nicht Veranlassung zur Aufgabe eines Planes zu werden; vielleicht vermöchte ich das sogar unter allen Umständen schon darum nicht, weil der uns zunächst nur zur Disposition stehende Gaster (er ist jetzt in Rumänien und ich kann ihn gegenwärtig nicht darum befragen), wenn er erfährt, daß Jarníks Grammatik zur Ausführung kommt, seine frühere Absicht wiederaufzunehmen leicht nicht mehr bewogen werden könnte. Sie haben dennoch die Entscheidung in der Hand. Für eine baldige Mittheilung derselben würde ich Ihnen sehr dankbar sein.

Hiernach hoffe ich nun, daß Sie wenigstens an die geplante rum. Grammatik, wenn Sie sie ausführen, nicht in Misstimmung in Folge der gepflogenen Verhandlungen herantreten; vor allem aber wünsche ich von Herzen, daß Sie dem Gedanken an Zurückziehung von der litterarischen Thätigkeit auf romanischem Gebiete, wo es, wie ich überzeugt bin, so viele nur von |3| Ihnen zu lösende Aufgaben giebt, kräftig entgegenarbeiten und sich der rom. Phil. erhalten.

Mit den herzlichsten Grüßen

Ihr ergebenster

GGröber.


1 Vgl. auch Lfd.Nr. 028-04027.

2 „1877“ doppelt unterstrichen – Hinweis auf das Erscheinungsjahr zwecks Verwendung in der Rumänischen Bibliographie?

3 Vgl. den Brief Gasters vom 25.11.1878 an Schuchardt, Lfd.Nr. 1-3571: „Trotz der Hochachtung und Dankbarkeit, die ich Herrn Prof. Gröber gegenüber, als meinem Lehrer, empfinde, konnte ich nicht um hin den Vorschlag abzulehnen, da ich mir keine Vorstellung machen kann, wie dieses Zusammenarbeiten bei so weit von einander liegenden Städten möglich sei, wobei aber auch das Eigenthum eines Jeden gewahrt bleibe? Ganz zu schweigen von dem nothwendigen Missverhältniss in dem Herr Jarník als Ausländer sich mir gegenüber befindet. Ich bin aber auch weit entfernt etwa eine Konkurenzarbeit liefern zu wollen, vielmehr wird es mich freuen, wenn Herr Jarník allein die Arbeit unternehmen wollte. Erst nach Abschluss und Veröffentlichung derselben, könnte es dann wohl möglich sein, dass ich das nachtrage, was in der Grammatik fehlt“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04028)