Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (027-04026)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Breslau

11. 02. 1878

language Deutsch

Schlagwörter: Gebr. Henninger Grammatikographie Eduard Weber's Verlag Grammatik der romanischen Sprachen (Diez) Nachdrucke, Neuauflagen Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachenlanguage Slowenischlanguage Provenzalischlanguage Portugiesisch Förster, Wendelin Goldbeck, Carl Michaëlis de Vasconcelos, Carolina Gartner, Theodor (1883) Diez, Friedrich Christian (1836–1838) [o. A.] (1877) Hirdt, Willi (Hrsg.) (1993) Schuchardt, Hugo (1878)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (027-04026). Breslau, 11. 02. 1878. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5841, abgerufen am 09. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5841.


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Breslau, 11. Sept. 1878

Verehrtester Herr College.

Mit dem Henninger’schen Unternehmen stehe ich in der That in Verbindung, und zwar geschah es vor c. 1 ½ Jahren, daß ich Sie darauf aufmerksam machte und sich nach Bearbeitern der einzelnen Grammatiken umzusehn zu veranlassen suchte.1 Sie legten indessen die Sache in meine Hände, und da ich lange Zeit zweifelhaft war, ob ich mich daran selbst betheiligen, und, wie nun beabsichtigt, die provenzalische Grammatik übernehmen könnte, so ist es erst jetzt, wo wenigstens für das Provenz. und Altfranz. Bearbeiter gefunden, an der Zeit gewesen, von dem Plane zu sprechen.2 Von einem Concurrenzunternehmen mit einem andern, von dem ich durch Sie die erste bestimmte Mittheilung erhalten, kann dabei um so weniger die Rede sein, als Henninger vor ein paar Tagen erst von Foerster, dem sie den Grammatikenprospect übersandten, die Nachricht erhielten „sie träfen mit ihrem Plane auf ein se[l]biges  Unternehmen, für das Contracte längst abgeschlossen und zum großen Theil schon Manuscript[e] vorlägen“. Mir war bisher nur bekannt, daß Foerster durch Weber3 aufgefordert war, Diez Grammatik neu zu bearbeiten,4 und daß er sich für diese Neubearbeitung unter anderem der Mithilfe der Frau C. Michaëlis de Vasconcellos zu versichern suchte; daß ferner diese Neubearbeitung zu Stande kommen würde, da Pf. Goldbeck5 in Berlin in einer Sitzung der Berl. Gesellsch. f. Neuere Sprachen berichtet hatte, daß Frau C. Michaëlis de Vasc. sich durch Foerster aufgefordert an dieser Ueberarbeitung betheiligen würde, worüber Herrigs Archiv6 in einem Hefte aus der Mitte des vorigen Jahres ungefähr eine Notiz enthielt.

Ich habe in Folge der mir durch Gebr. Henninger zugekommene Mittheilung Foersters diese ersucht, sich bei ihm, mit dem sie in Geschäftsverbindung stehn, |2| – meine Verbindung mit ihm ist seit c. 4 Monaten aufgehoben – genauer nach dem von ihm bezeichneten Unternehmen zu erkundigen, um festzustellen, ob wirklich ein Concurrenzplan besteht, und der Plan der Neubearbeitung des Diez’schen Werkes, – ich machte Foerster zur Zeit auf die Unmöglichkeit und Unzweckmäßigkeit dieses Gedankens aufmerksam – etwa dahin corrigirt worden sei, daß selbständige romanische Grammatiken ausgearbeitet werden sollten – bin hierüber zwar noch nicht von ihnen benachrichtigt worden, kann aber nach Ihren heutigen Zeilen nicht mehr zweifeln, daß diese Aenderung des Planes stattgefunden.7 Aus denselben ist zugleich zu entnehmen, daß die Priorität auf Seite Webers ist, da Sie diesen früher als Henningers für Mitarbeit an einem Grammatikunternehmen zu gewinnen gesucht haben. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß, wenn die Identität der beiden Pläne festgestellt sein wird auch für die Gebr. Henninger, Schritte gethan werden müssen um den jüngeren Plan zu redressiren; denn Sie haben ganz recht, daß aus vielen Gründen die Ausführung beider Pläne nicht wünschenswerth ist. Diese Schritte werde ich, sobald die Erkundigungen eingelaufen sind unverzüglich thun, nicht ohne Bedauern darüber, daß mit der nothwendigen Aufgabe des Henningerschen Planes mir die Gelegenheit genommen ist, an Ihrer Seite zu arbeiten, – denn hier wäre Ihnen der bedeutendste Theil der Arbeit zugefallen.

Wenn es nicht indiscret ist, würde ich mir die Bitte um eine Mittheilung darüber erlauben, wann Sie für den Weberschen Plan gewonnen wurden,8 ob eine Art Programm für denselben besteht, und seit wann er datirt.

Recht beklage ich, daß mir Ihr Artikel über Böhmer-Foersters Aufsätze9 entzogen bleiben soll, aber ich weiß, daß Sie darum nicht mit sich handeln lassen, sonst würde ich mich aufs Bitten legen und Sie ersuchen von Ihrem Grundsatz bez. langer rectificirender Abhandlungen zum Vortheil der „Zeitschrift“ einmal abzugehn. Dafür eine andre Bitte, die Sie vielleicht noch in der Lage sind zu erfüllen: |3| Sie würden mich zu größtem Danke verpflichten, wenn Sie mir ein Ex. Ihrer Keltischen Briefe aus der Augsb. Allg. Zeitung,10 die ich mit dem größten Genusse, aber nur theilweis gelesen, – wofern Sie noch Ex. davon haben, zugehn lassen würden.

Mit den besten Grüßen

Ihr ergebenster

GGröber.


1 Ein derartiger Brief oder Schriftverkehr ist nicht erhalten. Vgl. jedoch HSA, Bibl.Nr. 04557, Gebrüder Henninger, Verlagsbuchhandlung Heilbronn, 19.8.1878, an Hugo Schuchardt: „Die Art unseres Verlages bringt es mit sich, daß im August von Romanisten uns persönlich nahe gebracht ist und wir so von mehreren Seiten schon das Bedürfnis specieller romanischer Grammatiken haben andeuten hören. Wir haben hienach die Sache ernstlich ins Auge gefaßt u. fanden mit unseren bezügl. Vorschlägen u. a. bei Herrn Prof Groeber in Breslau so günstige Aufnahme, daß er seine Betheiligung sofort zusagte und eben einen Prospect über das Unternehmen ausarbeitet, welcher demnächst gedruckt u. dann auch Ihnen zugesandt werden wird. Bis jetzt ist die provenz. Grammatik an Prof. Groeber und altfranz. Grammatik an Dr. F. Neumann zugesagt […].“

2 Vgl. Lfd.Nr. 026-04025. Der Verlag Gebr. Henninger in Heilbronn publizierte in der 2. Hälfte des 19. Jahrhundert zahlreiche Monographien aus dem Bereich der Germanistik, Anglistik und Romanistik, u.a. Gustav Körtings Encyklopädie und ..erschien dort z.B. die „Altfranzösische Bibliothek“, hrsg. von Wendelin Förster. Von der „Sammlung romanischer Grammatiken“ lässt sich bibliografisch alleine Theodor Gartner, Raetoromanische Grammatik, Heilbronn 1883, nachweisen. Dort heißt es im Vorwort, diese Grammatik solle nicht „hinter den Schwestern, in deren Kreis sie von der Verlagsbuchhandlung gestellt ist, […] allzu empfindlich weit zurückstehen“. Sie blieb jedoch, wie sich in den folgenden Briefen zeigt, ein Unikat.

3 Verlag in Bonn, der Diez‘ Grammatik der romanischen Sprachen verlegt hatte.

4 Vgl. Foerster (Bonn, 28.9.1878) an Ascoli: „Es handelt sich um eine Neubearbeitung der Diezschen Grammatik, wobei die einzelnen Sprachen je einem Specialisten übertragen wrden solln. Bis jetzt hat Tobler seine reichen Noten udgl. uns spontan angeboten, Schuchart übernimmt Walachisch, Morel-Fatio wirkt beim Spanischen mit, ich soll Französisch und die Gesamtredaction (um eine gewisse äussere Gleichmässigkeit herzustellen) übernehmen, viell. auch Provenzalisch. Wegen Portug. werden wir uns später an Coelho wenden. Allein bis jetzt ist eine der allerwichtigsen Sprachen – das Italienische – nicht besetzt. Ich weiss nicht, ob ich es wagen darf, Ihnen dasselbe im Namen des Verlegers anzubieten, da Sie Ihre Arbeiten in einem so grossartigen Rahmen führen, dass Ihre Zeit nur einer solchen Arbeitskraft u. solchem Genie genügen kann, wie Sie sie stets bewährt“ (Willi Hirdt [Hrsg.], Romanistik eine Bonner Erfindung. Teil II: dokumentation, Bonn 1993, Brief 4, 1003).

5 Wohl: Prof. Karl Goldbeck, Berliner Romanist und Philologe in der 2. Hälfte des 19. Jhd., ein Lehrer und Förderer der jungen Karoline Michaëlis.

6 Vgl. „[Bericht über die] Sitzungen der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren Sprachen“, ASNSpr 57, 1877, 87-88 (hier wird zwar Pfr. Goldbecks hohe Meinung von Carolina Michaëlis wiedergegeben, auch ist von ihren Diez-Studien die Rede, nicht jedoch von der Neuausgabe der Diez’schen Grammatik).

7 Vgl. Foerster (Rom, 6.11.1878) an Ascoli: „Was den Plan des Henninger in Heilbronn anlangt, so hab ich auch vor kurzem davon erfahren. Es ist eine Idee Gröbers in Breslau, der die provenz. Grammatik übernommen hat (F. Neumann die französische). Dieses Unternehmen kann nur als Concurrenz gegen das unsere betrachtet werden, da Gröber wenigstens seit 2 Jahren weiß, daß ich eine altfranz. u. hist. Fz. Grammatik im Pulte habe. Die Verhandlungen wegen der neuen Diezschen Auflage mit Umarbeitung usf. datiren seit October 1877 u. der Contract wegen Walachisch mit Schuchardt war bereits im Mai 78 unterzeichnet. Allein der Diez’sche Verleger will keinen Prospect versenden, sondern dies erst mit der Ausgbe des 1. Bandes der neuen Auflage thun“ (Hirdt, Romanistik eine Bonner Erfindung II, 1009).

8 Auch dieser Plan einer Sammlung romanischer Grammatiken, der über die Neuauflage der Diez’schen Grammatik hinausging, scheint nicht realisiert worden zu sein.

9 Vgl. Lfd.Nr. 024-04023.

10 Schuchardt, „Keltische Briefe III-V“, Beilage zur Allgemeinen Zeitung (Augsburg, München), 2305f, 2322-2324, 2433-2435, 2537-2539, 2554-2556, 2562f. [Archiv-/Breviernummer: 108].

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