Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (016-04015)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Breslau

11. 04. 1877

language Deutsch

Schlagwörter: Diezstiftung Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften (Berlin) Magazin für die Literatur des Auslandes Universität Pavia Universität Turin Universität Padua Rivista di filologia Die Gegenwart Tobler, Adolf Suchier, Hermann Müller, Giuseppe Sundby, Johannes Thor Graz Wien Storost, Jürgen (1992) Pacifer (1877) Schuchardt, Hugo (1877)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (016-04015). Breslau, 11. 04. 1877. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5830, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5830.


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Breslau, 11. April 1877.

Verehrtester College!

Vielleicht sind Sie noch nicht wieder in Graz, gleich viel, mein Brief wird doch wohl in Ihre Hände gelangen, und deshalb schreibe ich Ihnen dorthin, um Ihren Brief von Wien 5/4 nicht allzulang unbeantwortet zu lassen.

Ueber1T. haben Sie nun selbst die Meinung gefaßt, die ich über ihn ausgesprochen hatte, – er schlägt ganz im Gegensatz gegen früher einen merkwürdig hochmüthigen und verletzenden Ton an, für den ich vergeblich nach einer Erklärung mich umgesehn habe, mir befremdlich um so mehr, als ich mir nicht einmal eines formellen Verstoßes gegen ihn bewusst bin. Etwas Greifbares findet er an Ihren Vorschlägen wahrscheinlich darum nicht, weil Sie allein zu stehen scheinen; er wird erwarten, dass Sie mit einer Anzahl von Fachgenossen, die Ihrem Vorschlage beipflichten, etwa petitionsweis vor ihn treten und ihn auf offiziellem Wege gewissermaßen bestimmen sich auszusprechen oder das Comité voti­ren zu lassen. Aber freilich, wenn Sie auch ein solches Comité bildeten: die Ueberweisung der Stiftung an die Berliner Academie scheint nach den Aeußerungen T.s, die Sie in Ihrem Briefe mittheilen, beschlossene Sache, obwohl sie nach dem Aufruf in „Aussicht“ genom­men ist. Die Unklarheit liegt auf T.s Seite, und vor allem Mangel an gutem Willen und ein staunenswerther Mangel an Collegialität müssen ihm zum Vorwurf gemacht werden. Was Suchier2 angeht, so wundre ich mich nicht über sein Verhalten: er ist ein kleiner Krakehler der eingeschüchtert oder übertrumpft sein will, wenn man ihn auf seine Seite haben will, al pari gestellt, glaubt er, die Oberstimme führen zu dürfen. – Daß meine Bemerkung zum Aufruf in der Zeitschrift sich durchaus neutral hält, habe ich Ihnen angedeutet; eine Anspielung auf „Uneinigkeit“, wie Sie vermuthen, ist darin nicht gemacht; die Bemerkung musste, aus den Ihnen mitgetheilten Gründen, nothwendig farblos sein, betont aber, in Ihrem Sinne, dass die Interessen der an der Stiftung sich betheiligenden Romanen natur­gemäss Berücksichtigung finden würden, wobei ich meiner Ansicht über die Bedeutung der |2| des Auslandes gedenkenden Sätze des Aufrufs durchaus treu bleibe. Die Notiz über die Stiftung im Mag. f. Lit. des Ausl. habe ich nicht gefunden;3 der Verfasser des Artikels in der Allg. Zeitung (G.M.) dürfte wohl Giuseppe Müller4 sein, der Herausgeber der Rivista di fil., Ihren Artikel in der Gegenwart5 habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Zur Vermittlung zwischen einem von Ihnen zu bildenden Comité und T. bin ich gern bereit, hoffentlich gelingt es Ihnen recht bald ein solches ins Leben zu rufen, damit die Sammlungen des Berliner Comités nicht allzu grossen Vorsprung erhalten: die Liste weist jetzt 2300 Mark auf, - Ausländer fehlen, abgesehn von Sundby,6 noch ganz.

Da Sie nun wahrscheinlich unterlassen werden Ihre Recension über Stünkels Schriftchen7 an T. zu senden, so werde ich ihm dieselbe im Aushängebogen schicken: das Heft selbst wird dem Druck des Bogens auf dem Fuße folgen, u. wahrscheinlich Ende dieser Woche schon versandt werden. Könnten Sie es in der Augsb. Allg. Ztg. anzeigen?

Nehmen Sie herzliche Grüße von

Ihrem ergebnen

G Gröber


1 Von „Ueber T. ...“ bis „..noch ganz.“ vgl. Storost, Hugo Schuchardt und die Gründungsphase, 1992, 44-45 (mit einigen Lesefehlern).

2 Hermann Suchier (1848-1914), Romanistikprofessor in Halle; vgl. seine intensive Korrespondenz mit Schuchardt, bes. Lfd.Nr. 01-11404 - 65-53r-53v (Fragen der Diezstiftung).

3 „In Sachen der Diez-Stiftung“, Magazin für die Literatur des Auslandes 91-92, 1877, Nr. 14, 210-211.

4 Giuseppe Müller (1825-1895), Gräzist, Prof. an den Universitäten Pavia, Turin und Padua.

5 Schuchardt, „Die Diezstiftung“, Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 11, 1877, 222-224. [Archiv-/Breviernummer: 091].

6 Johannes Thor Sundby (1830-1894), Prof. in Kopenhagen, Romanist.

7 Vgl. Lfd.Nr. 002-04001. Vgl. auch den Briefwechsel Tobler-Schuchardt, Lfd.Nr. 01-11706 - 22-11727.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04015)