Breslau, 11. April 1877.
Verehrtester College!
Vielleicht sind Sie noch nicht wieder in Graz, gleich viel, mein Brief wird doch wohl in Ihre Hände gelangen, und deshalb schreibe ich Ihnen dorthin, um Ihren Brief von
Wien 5/4 nicht allzulang unbeantwortet zu lassen.
UeberVon „Ueber T. ...“ bis „..noch ganz.“ vgl.
[Storost, ](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.1580)Hugo Schuchardt und die Gründungsphase, 1992, 44-45
(mit einigen Lesefehlern).
T. haben Sie nun selbst die Meinung gefaßt, die ich über ihn ausgesprochen hatte, – er schlägt ganz im Gegensatz gegen früher einen merkwürdig hochmüthigen und verletzenden Ton an, für den ich vergeblich nach einer Erklärung mich umgesehn habe, mir befremdlich um so mehr, als ich mir nicht einmal eines formellen Verstoßes gegen ihn bewusst bin. Etwas Greifbares findet er an Ihren Vorschlägen wahrscheinlich darum nicht, weil Sie allein zu stehen scheinen; er wird erwarten, dass Sie
mit einer Anzahl von Fachgenossen, die Ihrem Vorschlage beipflichten, etwa petitionsweis vor ihn treten und ihn auf
offiziellem Wege gewissermaßen bestimmen sich auszusprechen oder das Comité votiren zu lassen. Aber freilich, wenn Sie auch ein solches Comité bildeten: die Ueberweisung der [
Stiftung](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.321) an die [
Berliner Academie](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.684) scheint nach den Aeußerungen T.s, die Sie in Ihrem Briefe mittheilen, beschlossene Sache, obwohl sie nach dem Aufruf in „Aussicht“ genommen ist. Die Unklarheit liegt auf T.s Seite, und vor allem Mangel an gutem Willen und ein staunenswerther Mangel an Collegialität müssen ihm zum Vorwurf gemacht werden. Was Suchier
Hermann Suchier (1848-1914), Romanistikprofessor in Halle; vgl. seine intensive Korrespondenz mit Schuchardt, bes. Lfd.Nr. [
01-11404 - 65-53r-53v](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.persons#P.2815) (Fragen der Diezstiftung). angeht, so wundre ich mich nicht über sein Verhalten: er ist ein kleiner Krakehler der eingeschüchtert oder übertrumpft sein will, wenn man ihn auf seine Seite haben will, al pari gestellt, glaubt er, die Oberstimme führen zu dürfen. – Daß meine Bemerkung zum Aufruf in der Zeitschrift sich durchaus neutral hält, habe ich Ihnen angedeutet; eine Anspielung auf „Uneinigkeit“, wie Sie vermuthen, ist darin nicht gemacht; die Bemerkung musste, aus den Ihnen mitgetheilten Gründen, nothwendig farblos sein, betont aber, in Ihrem Sinne, dass die Interessen der an der Stiftung sich betheiligenden Romanen naturgemäss Berücksichtigung finden würden, wobei ich meiner Ansicht über die Bedeutung der des Auslandes gedenkenden Sätze des Aufrufs durchaus treu bleibe. Die Notiz über die Stiftung im [Mag. f. Lit. des Ausl.](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.5222) habe ich nicht gefunden;
[„In Sachen der Diez-Stiftung“, ](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.1060)Magazin für die Literatur des Auslandes 91-92, 1877, Nr. 14, 210-211
. der Verfasser des Artikels in der Allg. Zeitung (G.M.) dürfte wohl
Giuseppe Müller
Giuseppe Müller (1825-1895), Gräzist, Prof. an den Universitäten [Pavia](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.4697), [Turin](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.5256) und [Padua](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.4696). sein, der Herausgeber der [Rivista di fil.](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.3112), Ihren Artikel in der [Gegenwart](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.4579)
Schuchardt, „Die Diezstiftung“, Die Gegenwart. Wochenschrift für Literatur, Kunst und öffentliches Leben 11, 1877, 222-224. [Archiv-/Breviernummer:[ 091]](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.316). habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen. Zur Vermittlung zwischen einem von Ihnen zu bildenden Comité und
T. bin ich gern bereit, hoffentlich gelingt es Ihnen recht bald ein solches ins Leben zu rufen, damit die Sammlungen des Berliner Comités nicht allzu grossen Vorsprung erhalten: die Liste weist jetzt 2300 Mark auf, - Ausländer fehlen, abgesehn von
Sundby,
Johannes Thor Sundby (1830-1894), Prof. in
Kopenhagen, Romanist. noch ganz.
Da Sie nun wahrscheinlich unterlassen werden Ihre
[Recension über Stünkels Schriftchen](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.632)
Vgl. Lfd.Nr. [002-04001](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5815). Vgl. auch den Briefwechsel
Tobler-Schuchardt, Lfd.Nr.[ 01-11706 - 22-11727.](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.persons#P.2867)
an T. zu senden, so werde ich ihm dieselbe im Aushängebogen schicken: das Heft selbst wird dem Druck des Bogens auf dem Fuße folgen, u. wahrscheinlich Ende dieser Woche schon versandt werden. Könnten Sie es in der Augsb. Allg. Ztg. anzeigen?
Nehmen Sie herzliche Grüße von
Ihrem ergebnen
G Gröber