Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (012-04011)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Breslau

19. 03. 1877

language Deutsch

Schlagwörter: Diezstiftung Orthographie Rezension Druckwesen Zeitschrift für romanische Philologie Druckfahnen Zeitschrift für das Gymnasialwesen Zeitschrift für österreichische Gymnasien Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Litteraturlanguage Rätoromanische Sprachenlanguage Ladinischlanguage Friulanisch Niemeyer, Hermann Tobler, Adolf Ascoli, Graziadio Isaia Jung, Julius Sievers, Eduard Schuchardt, Hugo (1877) Scheler, Auguste (1877) Liebrecht, Felix (1877) Liebrecht, Felix (1877) Storost, Jürgen (1992) Gröber, Gustav, (1877) Ascoli, Graziadio Isaia (1873)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (012-04011). Breslau, 19. 03. 1877. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5826, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5826.


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Breslau, 19. März 1877

Verehrtester Herr College!

Soeben habe ich Ihre Correctur erhalten; ich darf nicht unterlassen umgehend auf die besagten Fragen zu antworten.

1) Ihre Aendrungen im Texte halten sich in dem für die Correctur desselben zu ziehenden Grenzen, werden also ohne Zeitverlust ausgeführt werden können. An diesen ist bei der der Correctur aufgehefteten Vorschrift über Veränderungen des Manuscripts gedacht, und Vermeidung von Zeitverlust insbesondre wird durch die Vorschrift angestrebt, damit Verzögerungen in der Ausgabe der Hefte soviel wie möglich nicht statthaben. Namentlich sollen die Verfasser dadurch verhindert werden Aendrungen vorzunehmen, die ein Umbrechen von Zeilen und Seiten veranlassen, das so zeitraubend ist, wie der Neusatz, und uns schon einige Male beim ersten Hefte zurückgebracht hat, sodaß dasselbe schwerlich genau am 31. März wird ausgegeben werden können.

2) Bezüglich der Orthographie und speciell der Schreibung der c und k ist festgehalten, daß nicht assimilirte Wörter ( Casus etc.) oder Termini (syntaktisch, enklitisch, Declination, Accent etc.) etymologisch geschrieben werden, dagegen eingebürgerte, vollständig assimilirte Wörter, wie Kapitel etc. mit dem heimischen Zeichen des Alphabets: es soll hierdurch den Ausländern die Erkennbarkeit einer ganzen Reihe von Wörtern erleichtert werden. Ihr Verfahren ist entschieden das Beste; aber Schreibungen wie Akzent, Abkürzungen wie Kas. (Casus) etc., dürften dem Ausländer das Verständnis etwas erschweren. Der Setzer hat auf den ersten Seiten Ihrer Recension geschwankt, ich habe die k wo es nöthig schien in c verwandelt, und hoffe, daß Sie hiermit einverstanden sind.

3) In Betreff des Datums habe ich Ihnen, wenn ich nicht irre, schon früher mitgetheilt, daß dasselbe nicht unter die Artikel gesetzt werden wird, sondern die Inhaltsangabe in jedem Heft und in jedem Bande in Parenthese beigefügt wird, also auf den Heftumschlägen und in den Registern jedes Bandes notirt werden soll. Nicht nur in Ihrem Falle ist die Datirung der Artikel wünschenswerth, sondern auch darum, weil ich sicher oft länger als ¼ bis ½ Jahr [ein] Manuscript zu Verfügung haben werde, ohne es zum Druck befördern zu können, |2| weil es sich außerdem nicht selten um Prioritätsfragen handeln wird, hierin hat demnach keine Aendrung einer früheren Ansicht stattgefunden.

4) Niemeyer werde ich bitten, daß er Ihnen sofort die 10 Separatabzüge Ihrer Recension, sobald der betreffende Bogen gedruckt ist, zugehen läßt, so daß Sie dieselben vielleicht schon 2 Wochen vor Ausgabe des Heftes versenden können. Zur Aufnahme einer eventuellen Erwidrung ist natürlich die Zeitschrift verpflichtet, - freilich wird es zu spät sein, eine solche ins 1. Heft aufzunehmen, selbst wenn sie mir sehr schnell zuginge. Eine Frage hierbei: könnten Sie nicht den Ausdruck „Vergehn“ in der Schlußstelle:

„Meine verehrteste Hochachtung vor der gelehrten Körperschaft und deren ausgezeichnetem Mitgliede, A. Tobler, wird dadurch nicht verringert, daß ich auf gewisse sachliche und formelle Vergehn hingewiesen habe, die erst durch die begleitenden Umstände zu gewichtigen geworden sind.“

mildern?1 Da Sie selbst in den nachfolgenden Worten die Möglichkeit zugeben, daß Ihre Beurtheilung der Sache eine Berichtigung erfahren könnte, so dürfte ein weniger starker Ausdruck vielleicht angezeigt sein; etwa: „daß ich in sachlicher und formeller Beziehung zu Ausstellungen mich veranlaßt sehe, die erst etc.“?

5.) Petitschrift compreß für die Recensionen (Abhandlungen, Miscellen etc. werden aus Borgis gesetzt) zu wählen, habe ich mich erst nach langem Bedenken entschieden. Auch mir erscheint die Schrift sehr klein, und die Lectüre mehrer[er] Seiten solchen Textes anstrengend; aber was thun? Bei durchschossener Petit würde ein voller Bogen mehr erfordert, das erste Heft erhält bei der jetzigen Einrichtung bereits 11 Bogen, das 2. Heft wird schwerlich schwächer, so kommen wir auf c. 48 Bogen statt 35 jährlich, wobei nothwendig eine wesentliche Erhöhung des Preißes der Zeitschrift eintreten müßte. Oder sollte Material, das für das erste Heft vorlag, zurückgestellt werden? Fast sämmtliche Artikel wurden aber auf dringenden Wunsch der Verfasser dem 1. Heft überwiesen, mit Mühe habe ich Einiges für das 2. Heft zu reserviren vermocht, und Scheler und Liebrecht2 nebst andern werden mit mir hadern. Nun hat natürlich alles seine Grenzen: ich habe aber geglaubt am besten zu thun, wenn ich berechtigte Wünsche der Mitarbeiter erfüllte und dem Leser möglichst viel böte, nachdem man sich so vielfach über die Raumverschwendung im Jahrbuch beklagt.

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Übrigens ist ähnlicher Druck gerade in Zeitschriften häufig genug zu finden zB in beiden Zeitschriften für Gymnasialwesen,3 Fleckeisens Jahrb.,4 ich glaube auch im Anzeiger von Haupts Zeitschrift:5 Zeitschriften deren Ausstattung mir freilich nicht als Muster vorgeschwebt haben, denen aber die Recensionenabtheilung durch die gegebenen Umstände ähnlich geworden ist. Uebrigens habe ich bei Niemeyer heute angefragt, ob er geneigt ist statt compressen Druck durchschossnen für die Recensionen zu wählen. – Daß Sie sich über diesen Punkt geäußert haben, ist mir nur erfreulich: ich bin noch ganz besonders darum gegen die compresse Petit, weil Artikel in dieser Schriftgröße für mich wenigstens, vielleicht auch für andere, weniger eindrucksvoll sind, und ich möchte sagen, inhaltlich verlieren, – aber ich stehe vor Scylla und Charybdis. – Ich hoffe, wenn N. in Bezug auf den Druck der Recensionen nicht nachgiebt, daß Ihnen wenigstens die übrige Ausstattung und Einrichtung der Z. gefallen wird, und daß Sie in Anschlag bringen, daß in der Recensionenabtheilung keine wichtigere Novität unbesprochen, und jede Recension von der durch die Sache geforderten Ausdehnung sein soll.

6) Ob Niemeyer sich zur Zusendung einer Revision an Sie bereit finden lassen wird, weiß ich nicht; ich habe ihm heute Ihren Wunsch mitgetheilt und ihm die Entscheidung überlassen; er wird von mir gedrängt den Termin des Erscheinens des 1. Hefts möglichst nicht zu überschreiten und wünscht selbst der Ankündigung in Bezug auf die Ausgabe des Heftes nachzukommen. Aber es wird genügen wenn Sie statt meiner die Revision machen; nur möchte ich Sie ganz dringend ersuchen dieselbe dann umgehend zu erledigen und sie auf Beseitigung von Fehlern des Druckes zu beschränken, – eventuell Aendrung des Wortes „Vergehn“.6

7) Ueber die die Diezstiftung hörte ich noch nichts Näheres. Eine Wendung in T.s Gesinnung glaube ich auch seit einem halben Jahre wahrgenommen zu haben, auch ich habe den Eindruck erhalten, daß er weder mehr der alte im Verkehr, noch der ehemalige Schweiger ist. Vielleicht erhalte ich Gelegenheit bei einem Besuch in Berlin mich hierüber zu überzeugen: ein Decanat thut manchmal Wunder, vielleicht hat es auch hier vorübergehend eingewirkt, oder seine Stellung zur Academie?7

8) Zu Ihrer Karte vom 11. d. M. – Ich will wünschen, daß Ihnen mein kleiner anspruchsloser Artikel über lo li, il i eine intressante Seite darbietet;8 den Ihrigen über einen ähnlichen Gegenstand macht er wahrscheinlich nicht überflüssig. In Betreff der Bibliographie |4| schreibe ich Ihnen nächstens einmal. Die Benennung Ladinisch für Rätoromanisch werde ich acceptiren, und darunter das Friaulische mit begreifen; die alte Gewohnheit hat mich den Namen festhalten lassen, wiewohl Ascolis Untersuchungen für mich völlig überzeugend gewesen sind,9 und bei der Wahl des Namens Ladinisch eine Vermischung der beiden Hauptdialectgruppen ja nicht nothwendige Folge ist.

Jungs 2 Abhandlungen sind, wie er mir schreibt, nicht mehr zu haben; aber er veröffentlicht sie jetzt in Buchform,10 und wird mir 1 Ex. zur Recension schicken. Ich werde Ihnen dasselbe baldigst zugehen lassen.

Vergessen Sie nur ja Sievers etc. nicht;11 bei der Verwirrung in der lautphysiologischen Terminologie, die man bei den Romanisten antrifft, ist eine Besprechung des Buches für die Zeitschrift dringendes Bedürfniß.

Mit den besten Grüßen

Ihr

GGröber


1 In der gedruckten Rezension (Stünkel, s. o., S. 125) steht: „Versehen“ statt „Vergehn“.

2 A. Scheler, „La priere Theophilus“, ZrP 1, 247; F. Liebrecht, „Portugiesischer Aberglaube. Mucharinga“, ebd., 89; ders, „Zu Marie de France“, ebd., 90.

3 Sokrates. Zeitschrift für das Gymnasialwesen, 1847f.; Zeitschrift für die deutsch-österreichischen Gymnasien, 1850f.

4 Alfred Fleckeisen (1820-1899) war Hrsg. der Jahrbücher für Philologie .

5 Vermutlich Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur, begründet von Moritz Haupt (1808-1874).

6 S. o. (Anmerkung zur Rez. Stünkel).

7 Dieser Abschnitt findet sich auch bei Storost, Hugo Schuchardt und die Gründungsphase, 1992, 22.

8 ZrP 1, 1877, 108-110 („Lo, li – il, i im Altitalienischen“).

9 Graziadio Isaia Ascoli, „Saggi ladini“, Archivio glottologico italiano (AGI) 1, 1873.

10 Vgl. Lfd.Nr. 010-04009.

11 Vgl. Lfd.Nr. 010-04009.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04011)