Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (303-168)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

24. 06. 1913

language Deutsch

Schlagwörter: Revue internationale des études basqueslanguage Baskisch Urquijo Ybarra, Julio de Karras, Ehrhardt Winkler, Heinrich Gutmann, Leon

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (303-168). Graz, 24. 06. 1913. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5741, abgerufen am 01. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5741.


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Graz, 24.6. ’13

Sehr geehrter Herr und Freund,

Mit großem Vergnügen habe ich Ihren Aufsatz in den MSLP empfangen und gelesen. Es ist sehr gut an die Propaganda in partibus infidelium1 zu denken; wenn doch bei den nicht-baskischen Spaniern auch einiges Interesse für das Baskische geweckt würde! Gestatten Sie einige kritischen Bemerkungen.

1. S. 16 – si l’on fait abstraction de celles qui ne sont pas fléchies – Ich frage mich warum denn diese Verbaladjektive und Verbalsubstantive (oder Partizipien und Infinitive) |2| überhaupt in das Verzeichnis aufgenommen worden sind. In ihnen besteht ja zwischen starken und schwachen Verben kein Unterschied.

2. Wenn aber einmal eman emaiten, emanen und egin, egiten, eginen Platz fanden, warum nicht auch egon (Luk. 19,5) egoiten (Luk. 8,27), egonen (Joh. 15,10).

3. Eidin kann ich obwohl von * und ? umgeben, dem Baskischen nicht zugestehen, mit andern Worten –(g)i-di gehört nur dem Verbum finitum an, ebenso wie –ki-di.

4. Zu joiten haben Sie mit der Feder ein ? gesetzt. Worauf bezieht sich dieses Fragezeichen? Auch ich würde ein solches setzen, im Zweifel ob wir hier einen Druckfehler oder eine mundartliche Form haben.

|3| 5. Die Seitenzählung, die Sie S. 3 Anm. angeben, verstehe ich nicht. Sollen die 31 dem N.T. vorhergehenden und die 89 folgenden Seiten gesondert gezählt werden, dann haben wir 31 Seiten doppelt einmal vor, das andere Mal nach dem N.T. Sind Sie aber, wie doch zu erwarten, zusammenzuaddieren 31+89, so stimmt dazu Ihre tatsächliche Zählung nicht. Wenn ich nun aber auch dauritza 80, ein ἅπαξ λεγόμενον zum Angelpunkt nehme und Ihnen zu folgen versuche, so ist 80 wohl wegen daramagu, danzuzu  81 in 79 zu verbessern, aber ich finde dann diosku 69, dachetza 77, gurgi 38, gatoz 45, darizku 36 daritzak 60, usw. während Sie für die gleichen Formen 41, 79, 59, 61, 58, 70 haben. Kurz, ich kenne mich hier gar nicht aus.

Doch ich breche ab; ich befinde mich wieder einmal in meinem Nadir. Die Zeit der langen Tage ist meine ungünstigste, noch dazu wenn das Wetter |4| so abnorm kühl ist wie jetzt.

Herr de Urquijo schreibt mir die Hauptsache sei daß meine Arbeit für die RB baldigst gedruckt werde. So darf ich denn annehmen daß das bei Karras befindliche Mskr. sofort in Angriff genommen werden könnte ohne erst nach dem Südwesten zu wandern?

Wenn Winkler gegen die uralaltaische Theorie spricht so rennt er offene Türen ein; wer vertritt sie denn heute noch? Gutmann, denk ich, ist von mir schon erledigt worden.

Verzeihen Sie, ich kann kaum mehr!

Herzlich grüßend

Ihr

H. Sch.


1 „in den Gebieten der Ungläubigen“.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 168)