Friedrich Kluge an Hugo Schuchardt (67-05639)

von Friedrich Kluge

an Hugo Schuchardt

Freiburg im Breisgau

18. 06. 1921

language Deutsch

Schlagwörter: Gedicht Bitte um wissenschaftliche Meinung Gesundheit Universitäre Lehrelanguage Baskischlanguage Berberischlanguage Lateinlanguage Keltische Sprachenlanguage Hebräisch Pogatscher, Alois

Zitiervorschlag: Friedrich Kluge an Hugo Schuchardt (67-05639). Freiburg im Breisgau, 18. 06. 1921. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5668, abgerufen am 03. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5668.


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Verehrtester Kollege!

In der letzten Zeit ist ein Gedicht der lat. Anthologie viel behandelt worden: De Servando medico (ed. Riese 21,176 N: 204). Die handelnden Personen sind ein Kurpfuscher, der zugleich Zauberer sein soll und ein Maultiertreiber. Es enthält eine fremdsprachliche Stelle, in der man fälschlicherweise Vandalisches vermutet. Mit der Geheimsprache der Hisperica Famina1 besteht kein Zusammenhang. Das lat. Gedicht soll mit der in der Anthologie darauf folgenden auf Nordafrika weisen. Finden Sie vielleicht berberische Sprachspuren? Könnten baskische Anklänge mitspielen? (burdo zu Burdigala?) Die 2 Zeilen lauten: ,nabras tanos aesis vitivalas valmam vitiduis tanda vitritam capia feis‘: gibatus enim transire volebat.2 Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf dieses Gedicht u. die folg. der Anthologie hinweisen. Hoffentlich geht es Ihnen gesundheitlich immer gut. Die Zeiten bleiben immer schwer und dementsprechend auch die Stimmung.

|2| Meine Lehrtätigkeit beschränkt sich auf 2 Stunden Wortbildung. Hält sich Pogatscher3 gut mit der Gesundheit? In meinem Gesichtskreis herrscht übrigens meist Stillstand. Ich darf mich auch nicht mehr zu viel anstrengen. Aber ich bin wohl u. hoffe das Gleiche auch von Ihnen.

Mit den herzlichsten Grüßen u. Wünschen in alter Verehrung

Ihr

F. Kluge


1 Hisperica Famina, Text aus Irland (7. Jhdt.) über alltägliche Themen, verfasst in einem von irischen Mönchen erfundenen Latein, das mit hebräischen, keltischen und selbsterfundenen Wörtern angereichert ist.

2 Die Vandalen-These geht auf Theodor von Grienberger, „De servando medico“, ZfdA 51, 1909, 255-262 (mit Angabe der älteren Literatur und einer lat. Übers.) zurück; Hermann Patzig, „Zu ZS. 51, 255 DE SERVANDO MEDICO“, ZfdtA 52, 1910, 168 kommt ohne „vandalische Spuren“ aus und erhält durch Emendation einen lateinischen Text.

3 Vgl. Lfd.Nr. 47-05622.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05639)