Hugo Schuchardt an Friedrich Kluge (08-HSFK_03)

von Hugo Schuchardt

an Friedrich Kluge

Freiburg im Breisgau

21. 11. 1899

language Deutsch

Schlagwörter: Studentenverbindungen Traditionen/Brauchtum Etymologie Entlehnung Netze Sprachen auf Guadeloupe Forschungsvorhaben Fachsprachenlanguage Ungarisch Heyne, Moritz Melich, János Schuchardt, Hugo (1900) Schuchardt, Hugo (1901) Schuchardt, Hugo (1901)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Friedrich Kluge (08-HSFK_03). Freiburg im Breisgau, 21. 11. 1899. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5609, abgerufen am 02. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5609.


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Postkarte1
[Graz, 21.11.1899]

Hg. H. K.!

Obwohl ich demnächst meinen Studien eine ganz veränderte Richtung zu geben gedenke, werde ich doch gern mit Allem was mir gelegentlich aufstösst Ihrem sehr zeitgemässen Unternehmen zu Diensten sein.2 Ich habe eigentlich schon längst verschworen mich mit Wortgeschichte zu beschäftigen; man wird aber immer wieder hineingerissen. Gestern z.B. las ich in M. Heynes neuestem Buch (p. 45)3 dass die Deutschheit von Stube „völlig sicher“ sei; aber was wird dann mit den romanischen Wörtern? Ist die Beziehung von Stube auf ahd. stiuban wirklich sicherer als die von franz. étuve auf extufare? – Über die deutschen Lehnwörter im Magy. wird demnächst eine sehr umfangreiche, und ich denke auch gute Arbeit von Johann Melich (Assistent an der Bibl. des Ung. Nationalmuseums) erscheinen, in deutscher Sprache.4 Ich sollte dieselbe seiner Zeit im Mskr. lesen und ein empfehlendes Vorwort dazu schreiben; das ist unterblieben, ich habe jetzt nur einen ganz flüchtigen Einblick in das schon im Druck befindliche Buch gethan der mir eine günstige Vorstellung davon erweckt hat. Neulich habe ich den Budapester Herren nachgewiesen dass in einem als salve erklärten szálloth sich die Uebersetzung von studentischem „ich steige“ (Dir mit einem Schluck)5 erhalten hat. Bei meinem dortigen Aufenthalt fand ich in einem Antiquarladen ein mir unbekannt gebliebenes kleines Wörterbuch der magyarischen Studentensprache6; ist Ihnen etwas damit gedient?

Mit bestem Gruß Ihr ergebener
HSchuchardt

[am oberen Rand: Bitte, was für ein Netz ist slanetze Grimm Weist. (s. Wtb. unter schlagnetz, auch rotte ist mir unbekannt]7


1 Original Freiburg i.Br., UB NL 25/260, Nr. 3.

2 Schuchardts erste Beiträge für die Zeitschrift für deutsche Wortforschung 1, 1901 sind „Stube – Kuchen- Wirtel“ (66-67), dann in 2, 1902 „Triangel, Hydrociped“ (76-77) „Wolf , 1. “Garnreuse”; 2. “Lehre” (Seilerspr.)“ (82-84). Das erste Heft ist bereits im Mai 1900 erschienen!

3 Moritz Heyne, Das deutsche Wohnungswesen : von den ältesten geschichtlichen Zeiten bis zum 16. Jahrhundert, Leipzig 1899 (Fünf Bücher deutscher Hausaltertümer, 1).

4 Vgl. Lfd.Nr. 16-05595.

5 Studentensprache: „Der Vortrinker Y hebt sein Glas in Richtung des zu ehrenden X und spricht: ,X, ich steige dir meinen Quart (oder Halben) vor.‘ Der Angesprochene hat seine Aufmerksamkeit durch ,Prosit!‘ zu bezeugen und innerhalb 5 Bierminuten mit dem gleichen Quantum nachzusteigen mit den Worten: ,Y, ich steige dir einen Quart (oder Halben) nach.‘ Der Vortrinker (Y) antwortet mit ,Prosit!‘ Nicken genügt nicht“ (Comment der Technica Wadinensis zu Wädenswil 1991, § 3.3.).

6 Vermutlich Dobos Károly, A magyar diáknyelv és szótára, Budapest 1898 (Die ungarische Studentensprache und ihr Wortschatz).

7 Zu Einzelheiten dieser Karte s. die Antwort Kluges (Lfd.Nr. 10-05589).

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Universitäts-Bibliothek Freiburg i.Br. (NL 25/260). (Sig. HSFK_03)