Friedrich Kluge an Hugo Schuchardt (01-05584)

von Friedrich Kluge

an Hugo Schuchardt

Jena

20. 01. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: Universitätspolitik Bitte um wissenschaftliche Meinung Thurneysen, Rudolf Behrens, Dietrich Meyer-Lübke, Wilhelm Schwan, Eduard

Zitiervorschlag: Friedrich Kluge an Hugo Schuchardt (01-05584). Jena, 20. 01. 1887. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5602, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5602.


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Hochgeehrter herr Professor!

Unbekannterweise nehme ich mir die freiheit Ihren rat in einer berufungsangelegenheit zu erbitten. Thurneysen1 geht zu ostern als nachfolger Brugmanns2 nach Freiburg, bei der wahl eines nachfolgers ist ev. zu bedenken, ob sich ein docent findet, der neben dem roman. etwas engl. vertritt. Ich habe das engl. zum teil mit vertreten; ich muß an erleichterung denken und das wünschen auch unsere regierungen. Ich denke an den Docenten Dr Behrens3 in Greifswald, dessen letzte arbeit4 ja das me. speciell in starker weise verarbeitet. Auch Thurneysen urteilt über die arbeit nicht ungünstig und ist mit mir einstweilen darüber einig, ev. Behrens auf die liste zu bringen. Das bleibt jedoch naturgemäß von mancherlei erwägungen abhängig. Und ich möchte in dieser Frage gern Ihre meinung hören, wie Sie über die jüngere generation denken, aus der wir einen ,billigen‘ extraord. herberufen möchten. Würden Sie glauben, daß andere docenten größere anrechte hätten? Wir denken noch |2| an Wilhelm Meyer5 und an Schwan6. Es wäre uns höchst willkommen, wenn Sie uns Ihr urteil mitteilen würden, ein objectives urteil, das nicht darauf ausgeht jemanden wegzuloben, wiegt besonders schwer. Und da Sie wol zu keinem jener herren in dem verhältniß des lehrers stehen, so können Sie um so ruhiger Ihre meinung für das interesse der sache uns mitteilen. Ich werde von Ihrem geneigten schreiben nur den gebrauch machen, zu dem Sie mich ev. ermächtigen werden.

Verzeihen Sie daß ich Ihre zeit mit dieser angelegenheit in anspruch nehme, und seien Sie im voraus meines herzlichen dankes für Ihre meinungsäußerung versichert.

Hochachtungsvoll ergebenst
Ihr
F. Kluge.
Jena, 20.1.87.


1 Rudolf Thurneysen (1857-1940), aus Basel stammender Sprachwissenschaftler, der die Romanistik und insbesondere die Keltistik vertrat. Er verließ Jena 1887, lehrte dann in Freiburg i.Br. und wechselte 1913 nach Bonn.

2 Karl Brugmann (1849-1919), Indogermanist und Sprachwissenschaftler, kehrte 1887 von Freiburg i. Br. nach Leipzig zurück.

3 Dietrich Behrens (1859-1929), Greifswalder Privatdozent, wurde 1890 nach Meyer-Lübkes kurzem Intermezzo nach Jena berufen, nahm aber schon ein Jahr später das Gießener romanistische Ordinariat an.

4 Behrens, Beiträge zur Geschichte der französischen Sprache in England I, Heilbronn 1886 ; „Zur Lautlehre der französischen Wörter im Mittelenglischen“, Französische Studien V.2, 1887 .

5 Wilhelm Meyer(-Lübke; 1861-1936), bedeutender Schweizer Romanist, der 1887 nach Jena berufen wurde und drei Jahre später die mehr Prestige versprechende Wiener Lehrkanzel besetzte, die er bis 1915 bekleidete, um dann nach Bonn zu gehen, möglicherweise weil er den Diez’schen Lehrstuhl als die Krönung seiner Laufbahn betrachtete.

6 Eduard Schwan (1858-1893), von 1891 bis zu seinem frühen Tod Nachfolger von Behrens in Jena.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05584)