Matthias Friedwagner an Hugo Schuchardt (24-03172)
an Hugo Schuchardt
03. 04. 1922
Deutsch
Schlagwörter: Hugo-Schuchardt-Brevier Dankschreiben Festschrift Leipziger Illustrierte Zeitung Reflexion über Forschung Spitzer, Leo Spitzer, Leo (1922)
Zitiervorschlag: Matthias Friedwagner an Hugo Schuchardt (24-03172). Gallspach, 03. 04. 1922. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5592, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5592.
Gallspach bei Grieskirchen
Oberösterreich 3./4.22
Hochverehrter Herr Hofrat!
Am Tage unserer Abreise von Frankfurt kam mir das schöne Jubiläumsgeschenk zu, an dem Sie mich in Ihrer großen Güte teilhaftig werden ließen.1 Die lange Reise in Personenzügen und die Arbeit hier im alleinstehenden Haus, bis alles und das Reisegepäck herbeigebracht war, was wir für die Osterferien brauchen, auch landwirtschaftliche Sorgen und Gänge haben mich leider verhindert, Ihnen schon früher meinen herzlichen Dank zu entrichten. Ich tue dies heute und bitte überzeugt zu sein, daß mich die Ehrung der Schweizer hoch erfreut hat und etwas traurig macht, weil nicht auch Deutschland etwas beitragen konnte. Wir haben nichts gewußt und so blieb |2| unsere Teilnahme an Ihrem Ehrentage etwas „platonisch“, was die Schweizer als praktische Leute nie waren. Aber Neid soll das schöne Geschenk der Helvetier bei uns nicht erwecken; ohne außer den hohen Kosten sind es ja doch nur Ihre eigenen Edelsteine, die zu einer Art Diadem verbunden wurden. Und Spitzer hat es sehr eigenartig ausgedacht und sehr schön gemacht. Das muß man ihm lassen! Nicht nur die vervollständigte Bibliographie, die meine „700 Nummern“, wie ich meinte, sehr beschämt, sondern die Auslese der Artikel und ihre ausgezeichnete Verbindung zu einem organischen Ganzen verdienen alles Lob. Und dazu ein schönes Bild jüngeren Ursprungs, als das meine war, das das Bändchen wirklich zu einem Liebhaberstück machen muß. Herzlich freue ich mich über diese u. andere ungewöhnliche und nicht dagewesene Ehrungen, wie sie Ihnen bereitet worden sind.
|3| Ich hatte Unrecht, in der Illustr. Zeitung so zu tun, als beteiligten sich bloß Deutsche an Ihrem Jubiläum. Es werden viele andere dabei gewesen sein u. gerade die Deutschen sind in solchen Dingen gar keine Organisationsgenies. Spitzer konnte es als Wiener. So bitte ich um Entschuldigung, wenn da in meinen Berichten nicht alles stimmte und Wichtiges fehlte. Aber das ältere Bild reut mich deshalb nicht, weil auf diese Weise zwei Andenken an Ihre Verehrter verteilt worden sind und man trotz der großen Verschiedenheit in Ton und Stimmung denselben Menschen von zwei verschiedenen Lebensstufen aus vor sich sieht. Das letzte bei Spitzer sieht fast jugendlich aus und ein Biograph ohne Personalkenntnis würde es wohl vor das meine einreihen. Leider hat mir die Illustr. Zeitung unter anderen bescheidenen Bitten auch die der Rückstellung unbeantwortet gelassen, so daß ich um dieses mir wertvolle persönliche Andenken gekommen bin, wenn Ihre Güte mir nicht ein |4| Zweites bestimmt. Aber ich fürchte, Sie haben längst alle vorhandenen verteilen müssen.
Das Vademecum ist kein „Laienbrevier“ geworden trotz seiner Klarheit; soll es auch nicht sein. Aber auch die Fachleute sollen dadurch nur angeregt werden, nach der Auslese immer wieder zum Urquell selbst zu pilgern. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum, etwa zu glauben, daß hier aus Ihren zahllosen Schriften das Wichtigste vereinigt sei. Vielmehr ist aus der Fülle ein Strauß kunstvoll vereinigt, der den reichen Garten ahnen läßt, wo alle diese Blüten gereift sind. Insofern ist der Gedanke Spitzers des Beifalls aller Ihrer Verehrer sicher. Er ist geschickt und unglaublich vielfältig und hat keine leichte Arbeit gehabt, die „Schuchardt-Bibliothek“ daraufhin zu durchforschen. Das Buch darf Ihnen Freude machen. Sie haben es poetisch gedeutet und wahrlich, auch durch Alter welk scheinende Blätter treiben neues Leben fort u. fort. Darin aber liegt die hohe Bedeutung Ihres Schaffens.
Mit recht herzlichen Osterwünschen in ausgezeichneter
Verehrung Ihr treu ergebener
M. Friedwagner
1 Hugo Schuchardt-Brevier: Ein Vademekum der allgemeinen Sprachwissenschaft. Gedr. mit Unterstützung einer Anzahl schweizerischer Forscher u. Lehrer. Als Festgabe zum 80. Geburtstag des Meisters, zusammengestellt und eingeleitet von Leo Spitzer, Halle a.S. 1922.