Matthias Friedwagner an Hugo Schuchardt (06-03155)
an Hugo Schuchardt
07. 11. 1912
Deutsch
Schlagwörter: Universität Bonn Dankschreiben Schuchardt, Hugo (1912)
Zitiervorschlag: Matthias Friedwagner an Hugo Schuchardt (06-03155). Frankfurt am Main, 07. 11. 1912. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5574, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5574.
Hochverehrter Herr Hofrat,
Noch bin ich Ihnen herzlichen Dank schuldig für das gütige Schreiben, das Sie mir als freundliche Antwort auf die kleine und flüchtige Broschüre über Sadoveanu1 zugehen ließen, und schon wieder freue ich mich über ein wertvolles Zeichen Ihrer wohlwollenden Zustimmung, als welches ich die schöne u. tiefgründige Studie über „Nubisch und Baskisch“2 dankbar in Empfang genommen. Freilich, sosehr mich auch die allgemeine Seite der behandelten Frage |2| interessiert, so wenig vermag ich den Ausführungen zu folgen. Herr Hofrat durchstreifen die Welt der Sprachen wie ein Aeronaut die Lüfte, frei nach allen Seiten ausschauend und des kühnen Fluges wie der weiten Aussicht sich freuend, während wir müssigen Zuschauer, ängstlich und an die gewohnte Scholle gefesselt, empor blicken und nur die ferne Gestalt wahrnehmen, ohne zu wissen, wohin sie fliegt, was sie sieht und welche Früchte ihr winken. Wenn wir sogenannte Romanisten ein klein wenig über den Zaun anderer Völker spähen, glauben wir schon, oder doch viele von uns, uns der Universalität zu nähern, indessen unser kurzsichtiges Auge eben nur das |3| Allernächste sieht und darüber hinaus nur Nebel oder Chaos. So freue ich mich als Österreicher und Deutscher, daß wir Herrn Hofrat zu unserem Lande und Volke zählen dürfen und zu unserer Zunft nicht minder, obgleich auch andere Wissenschaften denselben Anspruch erheben. Möchte es das Schicksal fügen, daß noch viele Jahre so rüstiger Arbeit und unbeschränkten Forschens Ihnen gegeben bleiben! Das ist mein Wunsch, den ich mit dem herzlichsten Danke verbinde.
Genehmigen, hochverehrter Herr Hofrat, die Versicherung ausgezeichneter Verehrung, mit der ich bleibe
Eurer Hochwohlgeboren
ganz ergebenster
M. Friedwagner
Frankfurt a.M.
7. XI.1912
1 Mihail Sadoveanu, Frankfurt a.M. 1912. [Aus der Festschrift zum XV. Neuphilologentage in Frankfurt a. M, 1912, 268f.; auch rumän. Cluj 1913 (Lommatzsch, 1941, Nr. 52).
2 Schuchardt, Nubisch und Baskisch, Paris 1912 (aus Revue internat. des études basques Vol. 6). [Schuchardt-Werk Nr. 634]