Arturo Farinelli an Hugo Schuchardt (21-02895)
von Arturo Farinelli
an Hugo Schuchardt
01. 08. 1898
Italienisch
Schlagwörter: Universität Innsbruck Universität Wien Universität Straßburg Universität Zürich Universität Graz Habilitation Sprachwissenschaft Germanistik Universität Prag Sanskrit
Zitiervorschlag: Arturo Farinelli an Hugo Schuchardt (21-02895). Gmunden, 01. 08. 1898. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5458, abgerufen am 27. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5458.
Illustre e caro Sgre,
Gmunden, 1 Ag. 1898
Trovai la Sua lettera al mio ritorno da Monaco dove fra altro cercai invano una fonte spagn. presumibile al Gueroco dell’Axular.1 La Sua proposta mi commuove e non occorre ripetere qui che, senza l‘iniziativa Sua io non sarei mai giunto a nulla.2 Ma in verità io non so ancor decidermi. Vegga Ella come stanno le cose |2| e mi dia poi un consiglio definitivo.
Io sono persuaso che senza le grettezze e gli intrighi del Dem. ed un po’ anche l'invidia dei grandi uomini della facoltà filosof. di Innsb. avrei ottenuto una nomina per un ramo qualsiasi della filol. romanza. Si trattava ultimamente di una cattedra di francese rifiutata come indispensabile, poichè il D. non ne capisce una sillaba, io vi aspirava, il ministero mi pareva propizio, e precisamente quando si proponeva la scissura della cattedra |3| del D. un deputato italiano di Vienna che batteva gran cassa in mio favore scriveva ad un mio collega che la mia nomina era garantita per quest'ottobre. Di qual nomina si trattasse io non so ancora, poichè tutto fu poi messo a tacere e ad Innsb. non ne trapelò nulla di nulla.
Conversando meco il prof. Seemüller3 uno dei 5 che decideranno del successore del Dem. nella persona del Gartner evidentemente, prima ch'io lasciassi Innsb. mi esortò a rimanere (io voleva proprio dare un calcio a tutto e recarmi o in Italia o altrove) perchè |4| diceva che nell'opinione di tutti io era destinato a succedere al Dem. per l'italiano. Insomma da un anno in qua fu un continuo pascermi di promesse. Contavo di recarmi a Vienna per Natale e di mettere in chiaro le cose coll'Hartel4 o col ministro per sapermi all'uopo regolare.
Ora la proposta Sua m'alletta. Strassburg5 è ben altra città di Innsbr. ed è ben altro ambiente intellettuale. Lassù sopratutto non si fraintenderebbe l'amore mio per la Germania. Ma lascerei un passero per ... Ella m'intende. La vita non è che un perpetuo danzare sopra una sottilissima corda.
Creda ch'io l'amo, ch'io l'amo davvero e ch'io m'atterrò a ciò ch'Ella vorrà decidere.
Devmo
A. Farinelli
[Anhang: „Ansuchen um Nostrifizierung des Doktorats von FARINELLI6, Hs. v. K. Luick]
|5| Ich ersuche die Herren dieses Referat abzulehnen, und zwar aus folgendem Grund. Dem Gesetze zufolge kann ausnahmsweise ein Doktorat nostrifizirt werden das die in Oestreich erforderlichen Vorbedingungen nicht aufweist. Es entsteht dann die Aufgabe das Negative und Positive gegeneinander abzuwägen, nicht bloss das darzulegen was gegen die Nostrifikation, sondern auch alles was für sie spricht. In dem Bericht, dem empfehlenden wie dem ablehnenden, muss Beides vertreten sein.
Was fehlt dem Gesuchsteller? Das Maturitätszeugniss. Der Mangel eines solchen darf aber nicht ohne Weiteres identifizirt werden mit dem Mangel der sogenannten klassischen Vorbildung selbst, die ja umgekehrt in so vielen Fällen, bei allem Maturitätszeugniss, eine dürftige, fast nur nominelle ist. Farinelli hat eine Anstalt besucht, auf der die alten Sprachen gelehrt werden; bei seiner strebsamen und regsamen Natur wird dieser Unterricht nicht spurlos an ihm vorübergegangen sein. Er theilt mir mit dass er an den Übungen des philologischen Seminars von Prof. Schweizer-Sidler7 theilgenommen hat. Ich habe keinen Grund das zu bezweifeln. Über das Mass seiner Kenntnisse nach dieser Seite bin ich natürlich nicht unterrichtet; es würde sich ja beim Colloquium – das wäre doch keineswegs zu spät – zeigen ob er den Anforderungen entspricht die man hierin an einen Romanisten zu stellen hat. Dass er in Zürich bloss 5 Semester studirt hat, kommt doch kaum in Betracht; er hat ja auch in Paris studirt, und warum soll ihm denn sein Aufenthalt in Spanien nicht als Studienzeit angerechnet werden. Überdies hat er in Zürich eine Doktorprüfung abgelegt die da sie ausser der Dissertation noch eine Hausarbeit und eine Clausurarbeit umfasst, eine weit strengere ist als die unsrigen. Es ist zuzugeben dass seine Lehrjahre durch eine gewisse Unregelmässigkeit, meinetwegen auch Abenteuerlichkeit gekennzeichnet sind, aber weit entfernt ihm daraus einen Vorwurf zu schmieden, rechne ich es ihm zu hohem Verdienst an dass er sich durch widrige Verhältnisse hindurchgekämpft hat um sich seinem wahren Berufe zu widmen, und dass er in noch sehr jungen Jahren es vermocht hat so umfangreiche und so gute Arbeiten zu liefern. Auf diese Arbeiten kommt doch Alles an; was einer ist, muss entscheiden, nicht wie er es geworden ist. Man hat mir gesagt: wir wissen ja gar Nichts |6| von ihm; ja, weiss man denn nicht das Wesentliche von einem Mann des gelehrten Standes, wenn man seine Arbeiten kennt? Und es gibt wenig, sehr wenig Habilitanden von denen man so viel weiss wie von ihm. Übrigens würden wir ihn ja noch vor der eventuellen Habilitation persönlich kennen lernen; ich kenne ihn auch nicht persönlich und will auf die warme Empfehlung seiner seitens meines Kollegen Morf in Zürich weiter kein Gewicht legen. Farinelli ist gewissermassen ein selfmade man, ein selbstgemachter Mann; wenn dieser Ausdruck im Deutschen nicht sehr gang und gäbe ist, so liegt das wohl daran dass wir Deutschen im Allgemeinen von den selbstgemachten Leuten keine besondere Meinung haben. Wie steht es aber mit den „von Andern gemachten“ Leuten; bürgt alle Schulung und Drillung die sie durchgemacht haben, wirklich dafür dass sie in der akademischen Laufbahn wirklich Etwas – ich meine nicht ganz Alltägliches – leisten? Ich meine damit durchaus nicht dass die beengenden Vorschriften, dieses Netz von feinen Maschen etwa wegzufallen hätte; aber wenn dieses alle Mittelmässigkeiten rite hindurchschlüpfen lässt, sich hindurchdrängen oder auch von hilfreichen Händen hindurchgedrängt werden, so wird es doch verstattet sein, für eine selbständige und frische Kraft die Gutes geleistet hat und noch Besseres verspricht, jene Maschen etwas zu erweitern? Lassen Sie sich nicht durch die gespenstisch umherwandelnde Sorge vor Schaffung von Präcedenzfällen beirren; es ist ein Ausnahmsfall, aber nicht in dem Sinne dass man ausnahmsweise etwas zu erlangen suchte was in gleichen Fällen zu verweigern wäre, sondern dass die Umstände selbst ausnahmsweise sind, sich selten wiederholen werden. Was das Niveau der Universitäten herabzudrücken geeignet ist, das ist nicht sowohl die zeugnisslose Originalität als die gutbezeugte Mittelmässigkeit.
Die Würdigung der schriftstellerischen Leistungen Farinellis ist bei der Erledigung der ganzen Frage ein unabweisliches Erforderniss. Der Kommissionsbericht enthält eine solche; das Referat nicht – das ist eine thatsächliche Lücke, und ich denke auch diejenigen Herren welche |7| meinen sachlichen Ausführungen nicht beistimmen, werden diesen formalen Grund für die Ablehnung des Referats anerkennen müssen. Wenn es heisst, dass sich bedenkliche Züge von journalistischem Dilettantismus in F.s Schriften zeigen, so kann das doch gewiss nicht als allgemeine wenn auch noch so bündige Würdigung derselben gelten und ist offenbar auch nicht als solche vom Herrn Referenten beabsichtigt gewesen. Was aber nun diesen Vorwurf selbst anlangt, so hat er mich so befremdet dass ich mich gefragt habe ob der Herr Referent die Schriften F.s überhaupt gesehen hat. Ich bin sehr geneigt ihm den Vorwurf des journalistischen Dilettantismus zurückzugeben; er ist aus dem Referat ins Feuilleton geraten, er brauchte ein Schlagwort und so passte ihm ein solches das zugleich die Verbindung mit dem Vorhergehenden herstellte: der angebliche Mangel klassischer Vorbildung soll in dem journalistischen Dilettantismus F.s seinen Ausdruck finden. Dabei wird ein Seitenblick oder vielmer Seitenhieb auf den journalistischen Dilettantismus der jüngeren Italiener geworfen der gewiss nichts mit einem Mangel klassischer Vorbildung zu thun hat; ich bestreite dass es sich um eine Eigenthümlichkeit der Italiener handelt und stelle fest dass Italien eine sehr ansehnliche Schaar trefflicher streng wissenschaftlicher Romanisten aufweist. Was Farinelli selbst anlangt, so kann ich gar nicht entschieden genug gegen diesen Vorwurf protestiren; man könnte ihn fast noch eher den entgegengesetzten machen; jedenfalls bildet das ausgedehnte und gewissenhafte Quellenstudium F.s einen der Hauptvorzüge seiner Arbeiten. Es hat mich geradezu überrascht, auf dem Gebiete der spanischen Litteraturgeschichte wo es mit besonderen Schwierigkeiten verknüpft ist. Nun, das ist alles Andere, nur nicht Journalistenart. Ich muss es ebenso als eine besondere Ungerechtigkeit, als eine sehr übelwollende Aeusserung betrachten wenn der Herr Referent sagt, Farinelli habe sich zu den Beziehungen der spanischen zur deutschen |8| Litteratur ein Thema gewählt das am Besten geeignet war den Mangel an klassischer Bildung und klass.-philol. Schulung zu verdecken. Nun was die Schulung anlangt, so verstehe ich das gar nicht; denn dazu gehört soviel philol. Schulung wie zu irgend etwas. F. hat sich eine sehr weite, sehr dankbare aber auch sehr schwierige Aufgabe gestellt oder vielmehr einen Kreis von Aufgaben: er untersucht die Beziehungen der romanischen Litteraturen untereinander und zu den deutschen, also nicht bloss die spanisch-deutschen. So hat er über die spanisch-italienischen im Mittelalter ausführlich gehandelt – er hat uns andere handschriftliche Arbeiten so auch über französische Litteratur zur Verfügung gestellt, wir aber haben geglaubt dass das vorgelegte Material genüge. Dieser Kreis ist umfangreich genug um durch die schriftstellerische und akademische Thätigkeit einer einzigen Person ausgefüllt zu werden; wäre nun innerhalb dieser Grenzen – was durchaus nicht meine Absicht ist – keine klassische Vorbildung nöthig, warum verlangte man sie denn? Übrigens enthalten die Schriften F.‘s genug lateinische Citate, was doch nicht gegen die klassische Bildung spricht.
Was den Werth der Arbeiten F.s anlangt, so appelire ich, wenn man unserem Kommissionsbericht nicht traut, an jedes beliebige Tribunal von Sachverständigen. Ich erlaube mir jetzt nur noch – um Ihre Geduld nicht zu sehr zu ermüden – das Urtheil von Prof. Sauer in Prag8 auszuführen der als Grillparzerspezialist über diese Partie von F.s Wirken zu urtheilen am ersten berufen ist.
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Ich bitte Sie also meine Herren mit Hinblick auf diese formalen wie sachlichen Gründe das Referat abzulehnen.
3 Joseph Seemüller (1855-1920), Germanist, Sprachwissenschaftler, zunächst Professor in Innsbruck, ab 1905 in Wien.
4 Wilhelm Ritter von Hartel (1839-1907), Klass. Philologe, zeitweise österr. Unterrichtsminister.
5 Zur Straßburger Berufung vgl. Videsott , 2008, 67-68 (Brief Gustav Gröbers an Arturo Farinelli, in dem er diesem das Berufungsangebot der Universität Straßburg vorstellt, 6.11.1898): Farinelli werde als Lektor und Priv.-Doz. eingestellt, bei Bewährung nach einem Semester zum Titularextraordinaris ernannt, allerdings müsse er sich bis zum Ende des Semesters entscheiden.
6 Farinelli hatte 1892 in Zürich bei Morf promoviert, ohne ein Abitur- oder Maturazeugnis vorweisen zu können. Dies war aber nötig, um sich in Graz zu habilitieren. Da die Habilitation 1896 erfolgte, ist das von Luick erstellte Gutachten chronologisch falsch eingeordnet (vgl. Lfd.Nr. 02-02876). Der Anglist Karl Luick (1865-1935), seit 1893 Grazer Extraordinarius, hatte gegen ein ablehnendes Gutachten Gustav Meyers im Sinne Schuchardts ein positives erstellt, das offenbar den Ausschlag gab und Farinellis Grazer Habilitation ermöglichte.
7 Heinrich Schweizer-Sidler (1815-1894), von 1841-1889 Professor für Sanskrit und Allg. Sprachwissenschaft an der Univ. Zürich.
8 August Sauer (1855-1926), seit 1892 Germanist in Prag.