Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (267-154)
von Hugo Schuchardt
22. 07. 1912
Deutsch
Schlagwörter: Vinson, Julien Winkler, Heinrich Dodgson, Edward Spencer Urquijo Ybarra, Julio de Gavel, Henri
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (267-154). Graz, 22. 07. 1912. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5433, abgerufen am 07. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5433.
Graz, 22.7.’12
Sehr geehrter Herr und Freund.
Ich danke Ihnen bestens für den kürzlich übersandten Bericht über Vinsons Vorlesung. Sie wissen ja wie sehr seine und meine Ansichten gerade in den wichtigsten Punkten auseinandergehen, Sie wissen auch, daß es sich dabei um Unheilbares handelt. Uns trennen die Grundsätze wissenschaftlicher Arbeit überhaupt. Ich kann mich mit Dogmatikern wie Vinson, Winkler usw. nicht verständigen, ja nicht einmal verstehen; sie bemühen sich, wie ich das gelegentlich ausgeführt habe, durchaus nicht ihre Aufstellungen fest zu begründen, die Einwände dagegen wirklich zu wider|2|legen – sie sind zu sehr von der Unfehlbarkeit ihrer Intuition durchdrungen. Ich habe vor einiger Zeit einen wahren Schrecken empfunden als mir Winkler schrieb, meine Kritik von Dodgsons Verbesserungen enthalte einen für ihn wichtigen Fingerzeig. Ich ahnte worauf er anspielte und das gab mir den Wunsch ein, einen kleinen methodologischen Artikel über Sprachenvergleichung abzufassen, um ihn und andere zu einer Darlegung der eigenen Grundsätze zu zwingen. Ich habe diesen Artikel auch bei J. de Urquijo angemeldet, ihn fast vollendet, aber seit vielen Wochen kann ich so gut wie gar nicht arbeiten. Es ist Jahr ein, Jahr aus dieselbe Geschichte; der Sommer, wenigstens die Jahreszeit der Gewitter, lähmt mich körperlich und geistig. Es macht mir z.B. große Mühe |3| diese Zeilen zu schreiben.
Urquijos Arbeit über Fr. Luis de Granada als Vorbild Axulars hat mir große Freude bereitet, ganz abgesehen von der persönlichen Ehrung die er damit verknüpft hat.
Gavels Einladung zum 18. Juli ist zwar vom 13. Juli datiert, kam mir aber erst am 18. Juli zu, sodaß ich nicht einmal mit Luftschiff ihr hätte Folge leisten können. Für die Sache ist das ganz gleichgültig; ich würde mich auch schriftlich nicht sofort über die in Verhandlung stehenden Gegenstände haben äußern können. Was ich über den Atlas vorderhand zu sagen weiß, habe ich Ihnen oder Urquijo geschrieben.
Ich komme noch einmal auf oben Gesagtes zurück. Sie dürfen mich |4| nicht mißverstehen; von der Richtigkeit meiner einzelnen Ansichten bin ich keineswegs felsenfest überzeugt, wohl aber von der Richtigkeit meines Arbeitsprinzips, des Kritizismus. Ich sehe manchen Irrtum von mir ein und berichtige ihn gelegentlich, z.B. den vom iberischen Charakter des bask. ezker.
Mit herzlichem Gruß
Ihr ergebener
H. Schuchardt
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 154)