Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (260-151)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

20. 06. 1912

language Deutsch

Schlagwörter: Revue Hispanique Revue internationale des études basqueslanguage Baskischlanguage Etruskischlanguage Kaukasische Sprachenlanguage Georgischlanguage Ägyptisch Finck, Franz Nikolaus Thomsen, Vilhelm Farinelli, Arturo Winkler, Heinrich Uhlenbeck, Christian Cornelius Urquijo Ybarra, Julio de Finck, Franz Nikolaus (1907)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (260-151). Graz, 20. 06. 1912. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5426, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5426.


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G. 20. 6.’12

Sehr geehrter Herr und Freund!

Finck † erwähnt natürlich öfter das Baskische, aber es ist mir nur eine Stelle gegenwärtig an der er in selbständiger Weise – doch auch nur ganz kurz – sich darüber äußert, in seinem gegen mich gerichteten und von mir immer noch nicht beantworteten Aufsatz: „Der angeblich passivische Charakter des transitiven Verbs“. (Zeitschr. für vergl. Sprachf. XLI) S. 235.

Thomsen hat nicht über die baskischen Zahlwörter geschrieben, sondern über die etruskischen, und sie mit den kaukasischen ver|2|glichen.

Wenn Sie alle Stellen in denen das Baskische überhaupt genannt wird (in Gutem oder in Schlechtem, d.h. in zutreffender oder in unwissenschaftlicher Weise) sammeln wollen, so reicht das für Ihr Leben aus, das ich Ihnen möglichst lang wünsche.

Über Humboldts baskische Reise finden Sie Alles bei Farinelli, Guillaume de H. et l’Espagne (Revue hispanique S. V) und der Verfasser der mein Freund ist, wird Ihnen gern auf etwaige Fragen Antwort geben.

Man kann bis heute von einer Verwandtschaft des Georgischen|3| mit dem Ägyptischen nicht sprechen. Das heißt: sie ist nicht erwiesen, vielleicht nicht erweisbar. Ich denke daß das Kaukasische, das Chamito-semitische, das Baskische, das Arische… miteinander verwandt sind, die Frage ist nur: haben wir die Mittel es darzutun und wie ist die Verwandtschaft beschaffen? Oder vielmehr wir müssen noch weiter zurückgehen, wir müssen uns durchaus darüber klar werden was wir überhaupt unter Verwandtschaft zu verstehen haben. Vielleicht äußere ich mich einmal darüber in der RB.; anderswo habe ich die Sache schon berührt. Dabei könnte ich auch Wasser |4| in das zwischen Winkler und Uhlenbeck entbrannte Feuer gießen. Eigentlich besteht es nur bei ersterem; denn wenn man auch in der Sache selbst für keinen von beiden sich entscheiden wollte, so müßte man doch – was die Form anlangt – auf U.s Seite stehen; er ist sachlich, (objektiv), W. ist es nicht, er ist zu voreingenommen, zu enthusiastisch.

Jetzt muß ich Ihnen in Bezug auf den Sprachatlas des Baskenlandes widersprechen; es scheint mir nicht möglich daß man in der Wahl der Stichwörter dem französischen „point par point“ folge. Denn es sind hier zum großen Teil phonetische und morphologische Gründe maßgebend gewesen die für |5| das Baskische keine Geltung haben können. Aigle ist für das Französische von ganz anderer Wichtigkeit, als arrano für das Baskische. Und dann die Verbalformen (z.B. die von aller  23-32) oder ganze Phrasen wie moi je ne les aide pas! Natürlich ist es auch höchst wichtig die Varianten von bask. noha usw. kennen zu lernen, aber das Zusammentreffen mit dem franz. aller in dieser Hinsicht ist nur zufällig; mit bask. nabil verhält es sich wie mit noha, aber mit franz. je marche nicht wie mit je vais. Ich werde demnächst an Herrn de Urquijo darüber schreiben, der mich um meine Beihilfe ersucht hat. Zuerst aber muß ich den Plan in seinen äusseren Umrissen kennen lernen, |6| glaube übrigens daß schließlich doch nur Basken selbst die Einrichtung des Ganzen festzusetzen im Stande sind. Es könnte sich für mich nur darum handeln, einen und den andern Wink zu geben.

Mit besten Grüßen

Ihr ergebener

H. Schuchardt

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 151)