Max Leopold Wagner an Hugo Schuchardt (2-12579)
an Hugo Schuchardt
24. 08. 1917
Deutsch
Schlagwörter: Dankschreiben Onomastik Dialektologie und Sprachgeographie Sprachverwandtschaft Erster Weltkrieg Gesundheit Biographisches Sardisch
Baskisch Wagner, Ludwig Gabelentz, Georg von der (1894) Schuchardt, Hugo (1917)
Zitiervorschlag: Max Leopold Wagner an Hugo Schuchardt (2-12579). Berlin, 24. 08. 1917. Hrsg. von Bernhard Hurch und Giovanni Masala (2009). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.54, abgerufen am 27. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.54.
Charlottenburg, 24. VIII. 17
Kantstr. 31/II.
Sehr geehrter Herr Hofrat,
Ihr liebenswürdiger Brief, der mich noch in München erreichte, war mir eine große Freude. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre gütige Auskunft und für Ihr Interesse an der Sache.
Ich sehe auch ein, daß sich für den nichtromanischen Rest des sardischen Wortgutes schwerlich viel Positives beibringen lässt.
Die Form þa3úkka, -úkki habe ich aus v. d. Gabelentz, die Verwandtschaft des Baskischen etc., S. 17.1 Aber natürlich kann nach dem, was Sie sagen, ein Zusammenhang dieser Wörter mit den sard. Bezeichnungen des Seps nicht in Frage kommen; die Wt. werden übrigens auch für eine Tarantelart gebraucht. Ob allerdings tartaruca hereinspielt, scheint mir doch fraglich. Spano bringt zwar auch tartarúga, aber für die Schildkröte sind überall Ableitungen von testudo gebräuchlich. 2
|2|Von Pflanzennamen, die im Inneren gebräuchlich sind, kann ich den folgenden nicht beikommen und denke – natürlich mit allem Vorbehalt – an vorromanischen Ursprung:
fonn. nuor. ğúǥuru ’sedano selvatico’, log. ğuru
nuor. þrugúśa f., bitt.
þurgúśa (bei Spano: turgusa) ’appio selvatico’
nuor. maþrigúṡia, Oliena: maþigrúđa, log. mat(t)iǥúṡa, martiǥuṡa, nordcamp.
marziǥúṡa ’Ginster’
nuor.
aþáṇḍa, Orani: sa þráṇḍa, barbag. (Olzai) zanza ’Mohn’
bitt. tuntúnnu, nuor. túnniu, orgosol. etc.
unníu, log. antúnna ’fungo porcino’.
Doch wie dem auch sei, so würden, falls man über die vorromanischen Sprachverhältnisse Sardiniens einigen Aufschluß erwarten darf, am ehesten noch die Orts- und teilweise die Flurbezeichnungen einen solchen liefern können. Leider wimmeln die Karten des ital. Generalstabs von fehlerhaft und ungenügend wiedergegebenen Ortsbezeichnungen, soweit Sardinien in |3| Betracht kommt. Auch sind das sehr delikate Fragen und ich weiß nicht, ob nicht schon Schulten, Numantia I, S. 38, 52 ff. zu weit geht. 3
Ihrem Aufsatz ’Sprachverwandtschaft’4 sehe ich mit gespanntestem Interesse entgegen und werde mich glücklich schätzen, ihn, noch dazu durch Sie selbst, zu erhalten.
Mit Bedauern höre ich, daß Sie Anlaß haben, über Ihren derzeitigen Gesundheitszustand zu klagen. Ich wünsche und hoffe, daß Sie in dieser Hinsicht zu schwarz sehen und daß es sich nur um vorübergehende Störungen und Schwankungen handelt. Möchten Sie noch recht lange ein von allzu großen Beschwerden freies Alter genießen! Hoffentlich habe ich nach diesem unseligen Kriege Gelegenheit, Sie vollkommen wiederhergestellt zu begrüßen.
Haben Sie nochmals vielen Dank, sehr geehrter Herr Hofrat, für Ihren schönen und interessanten Brief und gestatten Sie mir, Ihnen meine hochachtungsvollsten Grüße zu entbieten.
Ihr sehr ergebener
M. L. Wagner
1 Gabelentz, Georg von der. 1894. Die Verwandtschaft des Baskischen mit den Berbersprachen Nord-Africas nachgewiesen von __. Hrsg. von A.C. Graf von der Schulenburg. Braunschweig: Sattler.
2 Spano, Giovanni. 1851-1852. Vocabolariu sardu-italianu et italianu-sardu. Cagliari.
3 Schulten, Adolph. 1914-1929. Numantia. Ergebnisse der Ausgrabungen 1905-1912. (Unter Mitwirkung von W. Barthel, H. Dragendorff u.a.). München: Bruckmann.
4 HS 1917. "Sprachverwandtschaft", in: Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Berlin, 518-529. (Brevier/Archiv Nr. 695).