Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (200-121)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

18. 01. 1912

language Deutsch

Schlagwörter: Urquijo Ybarra, Julio de Oihenart, Arnaud d´ Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Vinson, Julien Eys, Willem Jan van Bonaparte, Louis Lucien Stempf, Victor Müller, Friedrich Gerland, Georg Schuchardt, Hugo (1912) Schuchardt, Hugo (1893)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (200-121). Graz, 18. 01. 1912. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5365, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5365.


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Graz, 18.1.’12

Sehr geehrter Herr und Freund,

Ich bin Ihnen noch mehrfach Dank und Antwort schuldig.

1) Ihre Mitteilung neuer Insektennamen ist mir sehr wertvoll. Augenblicklich habe ich noch keinen davon zitieren können; in dem vor einigen Tagen an de Urquijo abgesandten Artikel Ts̃ingurri habe ich auch Namen der Spinne erwähnt, aber nur gewisse mit m anlautende. Dazu hätte auch masma und noch mehr marasma gehört; aber ich habe davon abgesehen, weil mir das -as- noch unklar ist.

2) Mein Emainzquiçue wird nun wieder, dank Ihnen, einige Anmerkungen – Einschübe lassen sich |2| nicht gut mehr bei der Korrektur machen – bekommen müssen. – Von wo, d.h. inbezug auf welche lokale Sprechweise, die Mitteilung von F. de St Jayme1 über jakinak und izkik ? Das erstere ist eine Abkürzung (für jakin[ez]ak) aber nicht das letztere. Es steht nicht für in-zatzik, sondern für e(g)i-tzik. – Von utzi hat Oihenart noch eine andere einfache Form (eztutzala), die von Azkue zitiert wird. – Beiläufig gesagt, ist Ihnen irgend eine Stelle bekannt wo auf den örtlichen Charakter der Sprache Oihenarts eingegangen wird?

3) Die Fingernamen, sowie das –zutu in aurzutu usw. (übrigens hat Azkue diese Formen) |3| bleiben zu erwägen. –Zutu ist Synonym von –zaro.

4) DieLarrainekoAlbadak für die ich nochmals bestens danke, enthalten einige Dunkelheiten die Vinson wohl hätte versuchen sollen aufzuklären, da er die Veröffentlichung einmal anzeigte.

5) Was die passivistische Auffassung des baskischen Transitivs anlangt, so habe ich mich über das Chronologische in meinen Bask. Stud. I S. 2 bestimmt ausgesprochen. Diese ist mir, so viel mir erinnerlich, von allem Anfang meiner Beschäftigung mit dem Baskischen vertraut gewesen, jedenfalls 1887 |4| als ich im Baskenland weilte[.] 1888 (Mai) bin ich auf die Sache insofern etwas näher eingegangen als ich die ablehnende Stellung von Vinson und von van Eys, und die vorübergehende Annäherung des Prinzen Bonaparte ins Auge fasste. Ich habe hier darauf hingewiesen daß Fr. Müller in seinem Grundriß (1887) die betreffende Tatsache „zuerst klar erkannt und klar ausgesprochen hat.“ Da ich schon im März 1887 abgereist bin, so muß ich den Band schon im Winter 1886/7 haben benutzen können; wann er erschienen ist, weiß ich nicht genau. Es wäre aber doch die Möglichkeit vorhanden daß ich aus einer andern Quelle die bewußte Auffassung geschöpft hätte. Stempf in seiner deutschen und französischen Broschüre vom 24. |5| Dez. 1890 (ich kann sie in der Vinsonschen Bibliographie nicht finden), sagt am Schluß:

„zu den vorstehenden Ausführungen, deren Beendigung durch die Kenntnisnahme von Herrn Dr. Friedrich Müller. „Über die Sprache der Basken“ (Grundriss der Sprachwissenschaft, Wien 1885, III. 2. I p. 1-48) wesentlich erleichtert worden ist“.

elles (les recherches) ont eu … pour encouragement la lecture du remarquable travail de Fr. Müller….1885.....

Dazu bemerke ich zunächst daß 1885 ein Irrtum ist; das Buch ist 1887 erschienen (höchstens Ende 1886 – die Vorrede ist vom Sept. 1886). Sodann daß die Ausdrucksweise Stempfs angesichts des Sachverhalts eine sehr eigentümliche ist. Am Interessantesten aber ist der Hinweis auf eine Stelle bei Chaho, welche „den Anstoß zu den vorstehenden Ausführungen |6| gab“ = „elles ont eu pour point de départ“.

Weshalb ich so ausführlich über diese Sache spreche? Durchaus nicht etwa um irgendeine Priorität für mich herauszuschlagen, im Gegenteil, um den Verdachte zu ersticken, als beabsichtige ich das. Eine schlimme Erfahrung der letzten Zeit drängt mich dazu; mich hatte ein Fachgenosse beschuldigt ich wolle ihm die Priorität eines Schlagwortes rauben, während mir dies gar nicht eingefallen war, und er das hinterher auch einsah. Also:

Die Erkenntnis, um die es sich handelt, hatte schon in manchen Köpfen (Chaho, Pr. Bonaparte…) voraus gespukt! Fr. Müller hat sie, so viel ich sehe, zuerst wirklich klar gefasst und ausgesprochen (1887), ich (1888) und Stempf (1890) haben sie nur schärfer herausgearbeitet. Müller spricht nicht schlechtweg von der Passivität des Transitivs; er übersetzt nakarzu nicht: „ich werde getragen von dir“, sondern „ich bin im Tragen (Getragen werden) durch dich“, indem er aus der Doppelnatur des Infinitivs die Bildung erklärt. Näheres S. 19; hierin bin ich mit Fr. Müller ganz und gar nicht einverstanden (in der Auffassung des Verbs als eines Nomens).

Mit besten Grüßen

Ihr erg.

H. Sch.

|4|2 Ich habe eine alte Korrektur (aber nicht korrigiert) von meinem Artikel über Gerland gefunden; da Sie mir, glaub’ ich, einmal sagten, sie hätten ihn nicht, so schicke ich Ihnen, faute de mieux, diesen Fetzen.


1 Schuchardt strich die Stelle „Von wo [...] St Jayme“ durch und schrieb dafür am Rand: (St Palais).

2 Fußzeile.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 121)