Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (179-108)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

17. 12. 1911

language Deutsch

Schlagwörter: Etcheverry, Auguste Urquijo Ybarra, Julio de Bonaparte, Louis Lucien Thomas, Thomas Llewellyn Sare Baskenland Schuchardt, Hugo (1893)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (179-108). Graz, 17. 12. 1911. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5344, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5344.


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Graz, 17.12.’11

Sehr geehrter Herr und Freund

Huná, eskaintzen drauzut neure „erraintzak“-ako gutuna. – Sie ist leider dreimal so lang geworden als sie mir vorschwebte. Es ist merkwürdig: wenn man auch den kleinsten Stein in den baskischen Teich wirft, er zieht weite Kreise.

Heute möchte ich Ihnen von einem Plan sprechen den ich schon seit langer Zeit hege, von dem Sie aber nicht glauben dürfen daß er nun sehr aktuell geworden sei. Ich möchte nur auf alle Fälle damit ins Reine kommen. Als Gegenstand für Bask. Stud. II hatte ich ausersehen einige Gespräche die Augustin Etcheverry für mich niedergeschrieben hatte, genau nach der Aussprache von Sare, das eine mit Akzenten die ich, so wie ich die Betonung hörte, hinzufügte. Große Einleitung, zahlreiche Anmerkungen. Es war diese Arbeit schon vor vielen Jahren fertig, wenigstens in allem Wesentlichen. Wenn ich sie aber |2|jetzt in den Denkschriften der Wiener Akademie (wie B. St. I) veröffentlichen wollte, so müßte ich eine starke Umarbeitung vornehmen, zu der ich nicht Lust noch Kraft habe. So erwäge ich denn die Möglichkeit, ob diese Gespräche mit dem Beiwerk in größter Kürzung in die RB aufgenommen werden könnten. Damit Sie sich gelegentlich deshalb bei de Urquijo erkundigen können, gebe ich Ihnen hier eine Skizze des Ganzen.

Einleitung: Persönliches und Sachliches. Kurzer, mehr andeutender Bericht über meinen Besuch im Baskenland 1887. Meine Beziehungen zu A. Etcheverry. Meine Studien. Erwägung der dialektischen Klassifikation und Abgrenzung des Pr. Bonaparte. Purismus usw. usw. Betonung, d.h. meine Versuche sie festzustellen.

Alles das eigentlich nur als Erinnerungen.  

|3| Was die Gespräche selbst anlangt, so wäre Folgendes auszumachen:

Ich hatte eine deutsche Übersetzung ins Auge gefasst. Vielleicht ist davon ganz abzusehen (oder für ein Gespräch auszuführen?), soll dann der Text in litterarischem Baskisch wie ihn E. selbst niedergeschrieben hatte, zur Seite gesetzt werden?*) Oder wäre so zu verfahren wie in dem „Leben der hundert Heiligen“, wo am Fuß der Seiten die mundartlich verschiedenen Wortformen verzeichnet sind?

In den Anmerkungen endlich sollen die sprachlich und sachlich bemerkenswerten Dinge erörtert werden. Da stellt sich nun die Schwierigkeit ein: an welche Art von Lesern soll ich denken, an baskische oder an deutsche? Der Sprache, in der ich schreibe, zufolge natürlich an deutsche; aber würde es sich nicht doch etwas |4| komisch ausnehmen wenn ich gerade in der Revue Dinge erklärte die allen Basken geläufig wären, z.B. solche die sich aufs Ballspiel beziehen? Ja ich selbst liefe Gefahr durch nicht zutreffende Erklärungen mich lächerlich zu machen.

Also ich bitte um Urquijos und Ihre Gutmeinung im Allgemeinen (einer Ablehnung a limine, auch ohne Begründung, würde ich durchaus nicht übelnehmen) und Ihrer Beiden Rat im Besondern. – Aber, wie gesagt, bei mir ist entre coupe et lèvres ein unendlich größerer Abstand als bei allen andern Menschen.

Ich habe in diesen Tagen die Äußerungen von Llewelyn Thomas über meine Bask. Stud.I (Academy 1894, June 23) wieder gefunden, und sie haben mir eine lebhafte Genugtuung bereitet. U.A. sagt er: „Your reviewer… complained that the professor took too much knowledge for granted in his reader and that he did not explain. I have never seen a treatise on the Basque Verb in which more explanation is given…[“] Das ist der einzige Anspruch welchen ich für alle meine wissenschaftlichen Arbeiten erhebe; ich behaupte nichts ohne es gründlich geprüft zu haben. Ob ich Recht habe oder nicht, das ist eine andre Frage. Ich würde den Dogmatismus anderer nicht bekämpfen dürfen, wenn ich selbst in ihm befangen wäre.

Mit herzlichen Grüßen und Wünschen

Ihr

H. Sch.

*) ist auch Raumfrage.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 108)