Rudolf Meringer an Hugo Schuchardt (16-07052)

von Rudolf Meringer

an Hugo Schuchardt

Graz

26. 02. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Hotel Elefant Übersetzung Publikationsvorhaben Neue Freie Presse Poestion, Joseph Calasanz Karl Cornu, Julius Lothar, Rudolf Strzygowski, Josef Seuffert, Bernhard

Zitiervorschlag: Rudolf Meringer an Hugo Schuchardt (16-07052). Graz, 26. 02. 1904. Hrsg. von Verena Schwägerl-Melchior (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5318, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5318.


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Graz 26/2 04

Hochverehrter Herr Hofrath!

Schönsten Dank für Ihren lieben Brief! Mögen Sie bald wieder hergestellt sein.

Bei mir liegt seit langer Zeit ein Manuscript von Poestion1 die Übersetzung der Schrift Om privatboligen von Gudtmundssen (jetzt Staatsminister).2 Gutm gibt Poestion wohl noch Bilder u Nachträge u. damit könnten wir eine 2. (deutsche) Aufl. des höchst wichtigen Werkes haben, wenn nämlich Jemand einen Druckkostenbeitrag dazu gibt. Gern hätte ich Ihnen das Man. vorgelegt, damit Sie event. Poestions Bitte bei der Akademie unterstützen könnten.

Aber ohne Ihre frühere Fürwilligung thue ich’s |2| natürlich nicht.

Sie haben gewiß ein Recht auf Rücksicht. Niemand erkennt es wichtiger an als ich. Mein großes Bedürfnis über gewisse Fragen zu reden, ist abgefluthet. Cornu hat das so stark gemerkt, daß er glaubte, ich arbeite nichts mehr. Das war ein Irrtum. Ich habe bis vor Kurzem wirklich Hilfe gesucht. Jetzt finde ich schon allein weiter. Das ist mein Gefühl u. das ist der Grund, daß ich von meinen Sorgen kaum mehr spreche.

Das Lothar -feuilleton ist eine sehr heiklige Sache gewesen u. ich bin froh, wenn ich mit bloß einem lädierten „Ohrwaschel“ dabei wegkomme.3

Aber das Buch ist für uns, die Interesse für „Thatsach“ |3| der Geisteswissenschaften haben, instructiv u. gerade Schuchardt ist es, von dem ich zuerst Zustimmung für jenen Passus erwartet hätte.

Rudolf (Lothar recte) Spitzer ist mir das zeitgenössische Muster eines Sachen-menschen. Er rennt ebenso zu den Schneidern Schustern u. Börsenjuden wie ins Theater. Er will Alles zusammen capieren. Das ist doch mein Mann?! Übrigens ist er auch ein lieber Kerl, so genannter „Fragejude“, der beim Gruße schon mehr fragt als man in drei Sitzungen beantworten kann. Mehr mündlich. Wenn er jetzt hier durchfährt, kaufen wir uns mit ihm ein „Elephanten“- Gullasch.4

Die nächste Collegiumssitzung kann schön werden! Da wird sich Strzygowski5 den Seuffert6 ausborgen u. dabei gewiß Unterstützung finden.

|4| Ich freue mich schon sehr, verehrter Herr Hofrath, Sie einmal wieder zu sehen.

In Verehrung

Ihr
Rud Meringer


1 Vermutlich Joseph Calasanz Karl Poestion (1853-1922), österreichischer Skandinavist.

2 Gemeint ist vermutlich Guðmundsson, Valtýr. 1889. Privatboligen på Island i sagatiden samt delvis i det øvrige norden, Kopenhagen, 1889. Eine Übersetzung der Arbeit durch Poestion ist nicht bekannt.

3 Vermutlich Bezug auf Rudolf (Lothar) Spitzer (1865-1943), österreichischer Schriftsteller, der weiter unten noch angesprochen wird. Spitzer war unter anderem Feuilleton-Mitarbeiter bei der Neuen Freien Presse. Meringer veröffentlichte in der Ausgabe vom 21. Januar 1904, S.18-20 einen Beitrag unter dem Titel „Natur- und Völkerkunde. Etwas vom Nachahmungstriebe“,(Meringer 1904a) in dem er intensiv auch auf Schuchardts Arbeiten zu sprechen kommt.

4 Eventuell Bezug zum Hotel Elephant am Südtirolerplatz in Graz, in dem Schuchardt häufiger verkehrte.

5 Josef Strzygowski (1862-1941), österreichischer Kunsthistoriker und Professor in Graz, der ebenfalls mit Schuchardt korrespondierte (Bibl. Nr. 11346-11350).

6 Bernhard Joseph Luther Seuffert (1853-1938), Germanist und Professor in Graz. Seine Schreiben an Schuchardt (Bibl. Nr. 10513-10523) sind noch nicht ediert.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07052)