Rudolf Meringer an Hugo Schuchardt (11-07047)

von Rudolf Meringer

an Hugo Schuchardt

Graz

21. 03. 1902

language Deutsch

Schlagwörter: Sachwortforschung Literaturhinweise / bibliographische Angaben Etymologie Ethnologie, Anthropologie, Volkskundelanguage Keltische Sprachenlanguage Französischlanguage Deutschlanguage Italienisch Schuchardt, Hugo (1905)

Zitiervorschlag: Rudolf Meringer an Hugo Schuchardt (11-07047). Graz, 21. 03. 1902. Hrsg. von Verena Schwägerl-Melchior (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5313, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5313.


|1|

Graz 21 März 02

Hochverehrter Herr Hofrath!

Also ein Einfall!

Ich dachte nämlich so: der Name des Feuerbocks1 wird ein Thiername sein. Die 4 Beine, der Rücken verleitet zu sehr zu solcher Bezeichnung. Auch hat er keinen anderen Namen: Bock, Roß, Hengst, Hund, Katze.

Das war also Gedanke No 1

Gedanke No 2: Unter allen Bezeichnungen, die Lauffer anführt, braucht man bloß andela anderius andedus andasium lander2 in betracht zu ziehen. Die anderen durchschaut man leicht.

Jetzt kommt der Moment, wo der Aff ins Wasser springt.

Man schlägt Stokes auf:

S. 15 *Anderâ „junges Weib“

ir. ainder ,junges Weib‘, *cymr. anner ‚Färse‘ acymr. Dimin. enderic (gl. vitulus), br.ounner, onner, annoer, f. Färse, onneric.3

Das andere, was sonst steht, ist belanglos

|2|

Also franz. landier = l’andier. Allerdings fällt ihm Geschlechtswechsel auf.

Sachlich stimmt alles. Der Feuerbock wird als ,junge Kuh, junges Weib‘ gefasst, sehr begreiflich. Wenn man bedenkt wie die Scheite darauf gelegt werden. Ganz gesunde Volksphantasie, gar kein gelehrtes Überbrettl.

Bis jetzt gelang die Geschichte! Aber wie steht’s mit dem keltischen Worte selber u. wie sind durch Angleichungen u. Anklingen alle die Formen zu erklären? Wo sind die Muster? Schwer wird das kaum mehr sein.

Sie sehen, ich bin im rechten Eifer.

Ich sende Ihnen die Zeilen, damit Sie bald annehmen oder wegwerfen können.

Das „Trestern“ u. die „Tresterer“4 können auch mit ‚dreschen‘ zusammenhängen.

* Kluge Wb. s.v. hat gute lautliche Bemerkgn gemacht.5 Eine von den Erklärgn wird schon richtig sind [sic]. Vorläufig haben wir zwei Möglichkeiten. Das ist immer noch besser als gar nichts.

Ihr
Ru Meringer

*Zusammenhang mit ‚dreschen‘ hat Much schon zweifelnd angedeutet.


1 Mit dem Feuerbock beschäftigten sich sowohl Meringer als auch Schuchardt wissenschaftlich (vgl. u.a. Schuchardt 1905 [HSA 480], Meringer 1891: 'Studien zur germanischen Volkskunde. Das Bauernhaus und dessen Einrichtung'. In MAGW 21, 101-152.

2 Meringer bezieht sich auf folgende Publikation: Lauffer, Otto. 1901. 'Herd und Herdgeräte in den Nürnbergischen Küchen der Vorzeit II'. Mitteilungen aus dem germanischen Nationalmuseum 1900, 165-184 , Auf S. 182 führt Lauffer hier zahlreiche verschiedene lateinische Bezeichnungen für den Feuerbock auf.

3 Eintrag aus Stokes, Whitley. 1894: Urkeltischer Sprachschatz, übersetzt, überarbeitet und herausgegeben von Adalbert Bezzenberger. Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht, s.v. anderâ, S. 15.

4 Vermutlich sind die im Pinzgau beheimateten Schönperchten „Tresterer“ und deren „Tresterertanz“ gemeint, der an das Dreschen durch Stampfen erinnert (vgl. Dengg, Harald. 1992. 'Die Salzburger Krampus- und Perchtengruppen in ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild“. In Salzburger Volkskultur (ed.). Salzburger Perchtenbrauch. Tagungsband zum Salzburger Perchten-Symposion Maske, Mystik, Brauch. Burg Hohenwerfen, 13.-15. November 1992, 83-96 ).

5 Die 1899 erschienene Ausgabe des Etymologischen Wörterbuchs der deutschen Sprache gibt folgende Informationen zum Lemma: dreschen Ztw. mhd, drěschen ahd. drěskan = ndl. Dorschen, angls. prěscan) engl. To thrash thresh (vgl. mhd. Dreschen auch 'quälen'), got priskan 'dreschen'. Das Dreschen war schon im Urgerm. geübt, wie diese gemeinsame Bezeichnung der Dialekte bezeugt; vgl. die einzelnen Getreidearten, auch Egge, Brot usw. Die germ. Wortsippe drang ins Roman.: ital. Trescare *trampeln, mit den Füßen unruhig sein, tanzen, afr. tresche 'Art Springtanz'. Daraus ergiebt sich die Art des altgerm. Dreschens von selbst. Der Dreschflegel kam durch roman. Vermittlung aus Italien (s. Flegel); die einheimische Bezeichnung für ihn ist ahd. driscil mhd. nhd. Drischel. Die Deutung des zu Grunde liegenden vorgerm. tresk wird 'lärmend stampfen, treten' gewesen sein; vgl. lit. traszkéti 'rasseln, klappern', altslov. Trěsku 'Krach'.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07047)