Hugo Schuchardt Archiv

Graz 28 Juni 98

Verehrter Herr Kollege,

Gegenstandslos ist unser Antrag deshalb nicht, weil er sich nur auf das Verhalten der Akademie nicht auf das Ihrige bezieht. Ich würde gar nicht gewagt haben, mich bei Ihnen danach zu erkundigen. Allerdings hatte ich in der Politik gelesen dass Sie beim Festbankett in unmittelbarer Nähe von Komarow (nur durch Vacki [?] von ihm getrennt) sassen; |2| bei dieser Gelegenheit aber wurden die Kampfrede Kramářs¹ und die Denuntiantenrede Riegers² gehalten, die kein deutscher Vertreter unserer Akademie (das Sprachverständnis vorausgesetzt) richtig hätte mitanhören können. Auch ein Slawe wird entsprechendem deutschen Festen nicht beiwohnen. Aber, wie gesagt, das geht uns direkt nichts an. Meiner unmassgeblichen Meinung hätte |3| das „Räubervolk“ mit einer schriftlichen Ehrung Palacký's Genügendes gethan; von den Tschechen würden wir ja auch keine besondere Begeisterung für Mommsen verlangen.

Durch die Prager Tage sind alle Friedensträume arg gestört worden; indessen gebe ich das Ideal nicht auf das mir immer vor Augen geschwebt hat und Ihnen persönlich rufe ich zu: Verheißung siegt!

Ihr
HS

Wenn man in Prag wahnsinnig ist und in Wien ein bissl kühl, dürfen wir nicht in Graz ein bissl hitzig sein?