Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (48-05035)

von Vatroslav Ignaz Jagič

an Hugo Schuchardt

Wien

26. 12. 1896

language Deutsch

Schlagwörter: Hofbibliothek Zeissberg, Heinrich Mielich, Alphons Leopold

Zitiervorschlag: Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (48-05035). Wien, 26. 12. 1896. Hrsg. von Claudia Mayr und Helena Reimann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4788, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4788.


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Wien 26. Dez. 1896

Lieber Freund!

Ich begreife die Bedenken des Direktors der Hofbibliothek ( Zeißberg1) nicht, der die Handschrift nicht erwerben will, bevor n. der Ursprungsnachweis geliefert wird. In dieser Weise hätten die wenigsten Bibliotheken Europas ihre jetzigen Schätze. Der Besitzer der Handschriften hat sie nun zurückgenommen und gedenkt sie anderorts zu verkaufen. So muß ich dafür sorgen, daß die Slavischen, die nicht uninteressant sind, möglichst weit von Wien fort kommen! Ist das nicht die verkehrte Welt?? Uebrigens beschleichen auch mich dieselben Gedan |2| ken, wie Sie betreffs der oriental. Handschrift haben, d.h. auch ich möchte am liebsten die Slavica vorläufig für mich ankaufen. Ob es möglich sein wird, das wird vom Preis abhängen. Die slav. Handschriften sind vorläufig in unserem Seminar aufgehoben; die orientalischen hat der Besitzer weg getragen. Ich weiß nicht, wo er wohnt, seine Visitkarte führt den Namen Milner. Auch mir sprach er von seinem Freund, dem Maler Milich (oder Mielich), der in Dornbach leben soll. Leider bin ich auf diesem Gebiete so wenig bewandert, daß ich den Mann selbst dem Namen nach nicht |3| kenne. Ich kann Ihnen also nichts näheres sagen, bevor ich den Mann wieder sehe, was im Laufe der nächsten Woche sein dürfte.

Möglicherweise erhalten Sie von dem Besitzer der Handschriften selbst einen Brief, worin er Sie betreffs der oriental. Handschrift eben so um kurze Notiz bitten wird, wie er mich betreffs der 4 slavischen bat. Auf Grund dieser Notizen versprach er mir dann den definitiven Preis anzugeben, um welchen er die slav. Codices verkaufen möchte. Danach wird es entweder mir hier möglich sein dieselben käuflich an mich zu bringen oder ich werde müssen nach Petersburg eine Anfrage |4| resp. ein Anbot machen.

In solche Verlegenheiten wird man durch übertriebene Ängstlichkeit gebracht!

Mit herzlichen Grüßen und Glückwünschen zum Jahreswechsel

Ihr

alter Freund

V. Jagić


1 Heinrich von Zeißberg (1839-1899), österreichischer Historiker und Bibliothekar; Direktor der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien war er von 1896 bis 1899.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05035)